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Enwor 1 - Der wandernde Wald

Enwor 1 - Der wandernde Wald

Titel: Enwor 1 - Der wandernde Wald
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Fäuste und zwang sich, so lange reglos stehenzubleiben, bis sie aufgehört hatten zu zittern.
    Es hatte keinen Sinn, wenn er mit Del stritt. Ihrer beider Gereiztheit entsprang ihrer Erschöpfung und der Verzweiflung, die sich wie eine schleichende Krankheit in ihnen breitgemacht hatte. Es war zwecklos, wenn sie ihre letzten Kraftreserven in einer Auseinandersetzung verpulverten, die jeder logischen Grundlage entbehrte.
    Er schloß die Augen, ließ sich langsam auf die Knie sinken und grub die Hände tief in den heißen Sand. Der feine, braunweiße Staub schwappte träge an seinen Beinen empor und hüllte ihn in einen Mantel warmer, trügerischer Entspannung, und in seinem Kopf machte sich plötzlich die irrsinnige Vorstellung breit, daß all dieser Sand nichts als Wasser war, Wasser, das durch einen Fluch oder einen bösen Zauberspruch zu braunen, bewegungslosen Wellen erstarrt war. Daß er sich nur vorzubeugen und einen Mundvoll davon zu schmelzen brauchte, um seine nach Wasser schreiende Kehle zu kühlen.
    Skar ertappte sich plötzlich dabei, wie er die Finger tief in den lockeren Sand grub und sich vorbeugte, den Mund zu einem stummen Schrei aufgerissen.
    Nein. Soweit war es noch nicht.
    Aber es würde dazu kommen. Bald.
    Sehr bald.
    Er setzte sich auf, blinzelte in den grellen Feuerball der Sonne und senkte dann den Blick. Vor seinen Augen tanzten rote, flakkernde Kreise mit verschwommenen Rändern, schmerzende Feuerräder, die sich tief in seine Netzhäute brannten und Löcher in seine Seele gruben. Er stöhnte leise, schloß die Augen und fuhr sich mit der Zunge über den Gaumen.
    Wie lange war es her, daß er das letztemal getrunken, richtig getrunken hatte? Er versuchte, sich zurückzuerinnern, sich die kleine, verräucherte Biertaverne in Besh-Ikne in allen Einzelheiten vorzustellen. Es gelang ihm, aber das Bild war seltsam irreal und verzerrt. Die Wände schienen ihm flach und ohne greifbare Konturen, und die Menschen davor hatten keine Gesichter. Und die Krüge, aus denen sie schäumendes kaltes Bier getrunken hatten, waren jetzt voller Sand. Feiner, weißer, staubtrockener Sand. Er versuchte das Bild abzuschütteln, aber er war plötzlich in dem Gespinst aus mühsam erweckten Erinnerungen verstrickt und gefangen wie in einem Alptraum, in dem man auch genau weiß, daß man träumt, ohne daß einem dieses Wissen im mindesten dabei helfen würde, aufzuwachen. Damals hätten sie noch zurückgekonnt. Sie hatten gewußt, wie gefährlich die Reise war. Und nicht nur das. Sie waren gewarnt worden. Er versuchte, sich das Gesicht des malabesischen Händlers vorzustellen, aber auch das ging nicht. Es blieb ein weißes, konturloses Oval zuckender Haut, eingerahmt von grauem Haar und den Strähnen eines ungepflegten Bartes.
    »Ihr wollt nach Elay?« hatte er gefragt, nachdem er sich unaufgefordert zu ihnen gesetzt und die Bedienung nach einem frischen Krug Bier geschickt hatte.
    Skar hatte Del einen Herzschlag lang fragend angesehen und dann genickt. Ihr Reiseziel mochte ungewöhnlich sein, schon für normale Bürger des Königreiches Besh-Ikne und erst recht für Satai, aber es war deshalb kein Geheimnis. Außerdem mochte der Alte so manches Interessante wissen. Malabesen waren dafür bekannt, viel herumzukommen und stets die neuesten Gerüchte und Nachrichten auf Lager zu haben.
    »Ihr seid Satai, nicht?« war der Alte leutselig fortgefahren. »Gibt es Arbeit für Satai in Elay?«
    Skar hatte gegrinst. Der Gedanke, daß ausgerechnet die Ehrwürdigen Frauen um Hilfe bei den Satai nachsuchen sollten, erschien ihm lächerlich. »Arbeit nicht«, hatte er zurückgegeben, »aber vielleicht Vergnügen.«
    »Ein Vergnügen, das gut bezahlt wird, wie ich vermute.«
    »Und wenn? Schließlich ist es ein weiter Weg bis Elay. Man überlegt sich gut, einen solchen Ritt zu riskieren, wenn nichts dabei herausspringt. Allerdings, wenn uns eine Aufgabe reizt…« Er hatte andeutungsweise die Schultern gehoben, nach dem Krug gegriffen und einen Schluck Bier genommen. Es schmeckte süß, harzig und gut. »Du kannst ja mitkommen, Alter«, hatte er in scherzhaftem Ton hinzugefügt, nachdem er den Krug geleert und sich mit dem Handrücken ein paar Schaumflocken von den Lippen gewischt hatte. »Ein Geschichtenerzähler würde uns sicher den Weg verkürzen.«
    Der Alte hatte Skar einen Moment lang ernst angestarrt und dann den Kopf geschüttelt. »Der Weg wird euch auch so nicht lang werden.«
    »Wie meinst du das?«
    »Welche Route
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