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Entzweit : Vereint (ambi : polar) (German Edition)

Entzweit : Vereint (ambi : polar) (German Edition)

Titel: Entzweit : Vereint (ambi : polar) (German Edition)
Autoren: Jana Louka
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gewünscht. Geradezu danach gelechzt, nachdem mich das spießbürgerliche Leben im Dorf meiner Eltern, wo jeder jeden maßregelte, so sehr genervt hatte.
    Aber ich hatte es mir nicht so … kalt vorgestellt. Meine Kommilitonen nahmen keinerlei Notiz von mir, wohingegen ich das Gefühl hatte, dass sie sich untereinander alle kannten. Ich fühlte mich ausgeschlossen. Aus einem inneren Kreis gebannt, zu dem ich keinen Zugang fand. Wieder einmal.
    Schwer aufseufzend ging ich die Treppen zur Wohnung meiner Schwester hinauf. Wir waren beide wenig begeistert von dem aktuellen Arrangement, aber es gab nun mal fürs Erste keine andere Lösung. Ich musste mir schnellsten einen Job besorgen, um mir damit ein Zimmer in einer Wohngemeinschaft leisten zu können. Bis dahin musste ich wohl oder übel in den sauren Apfel beißen und mit meiner Schwester erneut unter einem Dach leben.
    Nicht, dass ich meine Schwester nicht gut leiden konnte. Wir kamen miteinander klar. Es war keine übertriebene Schwesternliebe aber es gab auch keinen Streit zwischen uns. Im Grunde genommen waren wir uns gegenseitig ziemlich gleichgültig und jede war seit jeher ihren eigenen Weg gegangen. Meine Schwester hatte mit siebzehn unser Elternhaus verlassen und eine Ausbildung zur Bankkauffrau begonnen. Seit einigen Jahren arbeitete sie nun in Paris in einem renommierten Bankhaus und schien ihr Leben zu genießen. Sie verdiente gutes Geld und konnte sich eine nette Wohnung im Viertel St. Germain de Prés leisten, quasi mitten im Zentrum von Paris. Die Wohnung war winzig, aber sie war Mariannes ganzer Stolz. Sie liebte ihre 45 Quadratmeter, ihre eigenes kleines Reich mitten am Ort des Geschehens und war wenig begeistert, es mit jemandem zu teilen.
    Immerhin hatte ich ein eigenes kleines Zimmer, das sich ehrlich gesagt allerdings eher wie eine Koje in einem Schiff anfühlte, denn der Raum fasste gerade mal eine schmale Matratze, die ohne ein Bettgestell auf dem Boden lag, einen offenen Kleiderständer, an dem meine wenigen Kleidungsstücke hingen, einen Stuhl, der mir quasi als Regal diente und auf dem mein einziger wertvoller Besitz, mein Notebook, thronte und ein paar kleinere Kisten, in denen ich meine wenigen sonstigen Habseligkeiten aufbewahrte, um nicht alles lose auf dem Boden herumliegen zu haben. Ein Wunsch hatte sich also erfüllt: Ich hatte ein lausiges nicht mal zwölf Quadratmeter großes Zimmer, das mehr als spartanisch war und einer Mönchszelle nicht unähnlich. Also genau das, was meine Eltern sich erhofft hatten.
    Doch ihre Hintergedanken nütz ten nichts. Dieses Zimmer würde mich bestimmt nicht davon abhalten, mich in das pulsierende, „gefährliche“ Leben einer Großstadt zu stürzen. Im Gegenteil. Es rief geradezu dazu auf, sich außerhalb davon aufzuhalten. Nur leider fehlte mir dazu bisher der notwendige soziale Kontakt.
    Aus Unsicherheit vor der Anonymität, die mich umgab, hatte ich mich die ganze Woche nahezu ständig in die Bibliothek der Uni verzogen, weil ich mich irgendwie noch nicht bereit fühlte, dieser Anonymität mutig entgegenzutreten und mich die Bibliothek außerdem wie magisch angezogen hatte. Sie vermittelte mir an diesem ungewohnten Ort seltsamerweise ein Gefühl von Heimat. Wahrscheinlich, weil ich Bücher liebte und mich nie sattlesen konnte.
    Die Bibliothek an der Sorbonne war ein Paradies für mich. I ch liebte es, durch ihre Gänge zu wandern, wahllos ein Buch herauszugreifen, eine beliebige Seite aufzuschlagen und zu lesen, welche Weisheit mich auf jener Seite erwartete.
    Ich hatte schon viele Weisheiten in Büchern gefunden. Das geschriebene Wort war für mich irgendwie magi sch. Es gab so viele Arten dasselbe unterschiedlich zu sagen, dass es geradezu faszinierend war, wie viel Neues man immer wieder entdecken konnte. Egal wie alt ein Buch war. Jedes Buch vertrat eine Philosophie und barg eine Erkenntnis. Und ich war stets auf der Suche nach neuen Erkenntnissen.
    Doch heute Abend war ich zu erschöpft, um noch irgendwelche neuen Erkenntnisse aufnehmen zu können. Die Woche war lang und anstrengend gewesen und die Desillusionierung meiner Träume hatte mich irgendwie ausgelaugt. Die Aussicht auf einen langweiligen Freitagabend in meiner nüchternen Mönchszelle hob meine Stimmung auch nicht gerade, doch als ich die Wohnung betrat, schallte mir laute, fetzige Musik entgegen und ich sah meine Schwester in ihrem Zimmer vor ihrem offenen Kleiderschrank stehen und mit gerunzelter Stirn hineinblicken, als würde
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