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Entscheide dich, sagt die Liebe

Entscheide dich, sagt die Liebe

Titel: Entscheide dich, sagt die Liebe
Autoren: Siri Goldberg
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einließ, versetzt mit einem Schuss Lavendelöl. Sie verschwand und kam wenig später mit einem Becher heißer Schokolade zurück. Clara wollte nicht trinken. Nicht jetzt. Nicht nach allem, was passiert war. Doch Amelie war unerbittlich. Sie hatte schon immer gewusst, wie man verstockte Kindermünder dazu brachte, sich zu öffnen, ein kleines bisschen nur. Als der erste Schluck Claras Kehle passierte, fühlte sie sich tatsächlich etwas besser. Der Weinkrampf löste sich. Schluck für Schluck trank sie den Kakao aus.
    Während das warme Lavendelbad seine beruhigende Wirkung entfaltete, kämmte Amelie Claras Haar, wie sie es immer getan hatte, um Clara zu trösten, die ganze Kindheit hindurch.
    »Wie ist er gestorben?«
    »Friedlich. Ich war bei ihm und habe seine Hand gehalten.« Sanft ließ Amelie die Bürste durch Claras Mähne gleiten. »Er hat nicht gelitten. Sein Herz ist einfach immer schwächer geworden, bis es aufgehört hat zu schlagen. Dein Paps ist friedlich weggedämmert.«
    Das Schuldgefühl, das die ganze Zeit an Clara genagt hatte, wurde übermächtig. »Ich hätte nicht auf Dillinger hören dürfen! Warum habe ich das Konzert nicht abgesagt? Warum bin ich nicht sofort nach seinem Anruf nach Hause gefahren?«
    »Das hätte nichts genutzt, mein Kind. Dein Vater ist gestern Mittag gestorben, kurz nach halb eins. Nach dem Frühstück ist er zusammengebrochen. Ich habe sofort den Notarzt gerufen. Kurz darauf war dein Paps im Krankenhaus und die besten Kardiologen haben sich um ihn gekümmert. Trotzdem konnten sie ihm nicht mehr helfen.«
    »Dann hat Dillinger mich also eiskalt belogen? Und Paps war schon tot, als er mich gestern angerufen hat?«
    Amelie legte die Bürste weg, nahm Claras Hände und drückte sie. »Im Krankenwagen war dein Vater noch bei Bewusstsein. Weißt du, was seine letzten Worte waren? Er sagte: ›Heute spielt mein Clärchen in der Fenice.‹ Er war so stolz! Es hätte nichts geändert, wenn dein Agent dir die Wahrheit gesagt hätte.«
    »Aber ich bin seine Tochter! Ich habe ein Recht auf die Wahrheit!«
    »Bitte sei ihm nicht böse«, sagte Amelie leise. Sie flüsterte fast. »Es war meine Idee. Ich hätte es so furchtbar herzlos gefunden, es dir am Telefon zu sagen.«
    Clara schwieg.
    »Geplant war, dass Dillinger dich direkt hierherbringt und ich es dir möglichst schonend beibringe. Dein Agent ist zwar ein guter Kerl, aber leider ein bisschen unsensibel. Vorhin hat er mich völlig zerknirscht angerufen und gebeichtet, dass er da wohl was verbockt hätte.«
    Clara sagte immer noch nichts. Sie empfand es als Bevormundung, auch wenn Amelie es bestimmt gut gemeint hatte.
    »Ich weiß, wie es sich anfühlt, wenn man den liebsten Menschen verliert. Und es tut mir unendlich weh, dich so traurig zu sehen.« Amelie fuhr mit dem Bürsten fort. »Aber vergiss nicht, was für ein wunderschönes Leben dein Vater hatte. Mit seinen dreiundachtzig Jahren war er immer noch erfolgreich, angesehen, berühmt und umjubelt. Und das Beste in seinem Leben warst du. Sein ganzer Stolz, sein Ein und Alles.«
    »Es ist so ungerecht!« Mit der flachen Hand schlug Clara aufs Wasser, dass der Schaum in alle Richtungen spritzte.
    »Das Leben ist selten gerecht. Aber glaube mir, dein Vater hat es als Gnade empfunden, so leicht und schnell zu sterben, in einem Alter, von dem viele andere nur träumen können. Stell dir vor, er müsste jahrelang als Pflegefall dahinvegetieren. Glaubst du, das hätte er gewollt?«
    Bestimmt nicht. Aber er hätte ja auch gesund bleiben und neunzig werden können. Oder hundert, dachte Clara. Jetzt hatte sie niemanden mehr auf der Welt. Niemanden außer Dillinger, der zwar ein guter Freund ihres Vaters gewesen war, in erster Linie jedoch an seine Geschäfte dachte. Und Amelie natürlich. Aber sosehr Clara Amelie mochte, so war und blieb sie doch eine Angestellte. Vor zwanzig Jahren – kurz nach Claras Geburt – hatte ihr Vater eine Nurse gesucht und Amelie gefunden. Sie war in die Villa Prachensky gezogen und hatte sich um Clara gekümmert. Ausgesprochen liebevoll und mit Hingabe, aber gegen Bezahlung. Als Clara schließlich dem Kindermädchenalter entwachsen war, hatte ihr Vater Amelie als Haushälterin behalten. Sie kaufte ein, kochte und sorgte dafür, dass Clara eine Mütze aufsetzte, wenn sie im Winter vor die Tür ging, dass sie genug Vitamine zu sich nahm und ausreichend Schlaf bekam.
    Clara stieg aus der Wanne, trocknete sich ab und zog sich an. Sie beschloss, ins
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