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Entfuhrt

Entfuhrt

Titel: Entfuhrt
Autoren: Koppel Hans
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bis Montag.«
    »Ja, bis Montag. Grüße an die Familie.«
    Ylva blieb stehen und drehte sich um.
    »Aus eurem Mund klingt das, als sei Familie etwas Schlechtes«, sagte sie und legte die Hand unschuldig auf die Brust.
    Nour schüttelte den Kopf.
    »Wir sind einfach nur neidisch.«
    Ylva zog ihren iPod aus der Tasche und schlenderte das Gefälle hinunter. Das Kopfhörerkabel hatte sich verheddert, und sie blieb stehen, um es zu entwirren, die Stöpsel in die Ohren zu stecken und eine Wiedergabeliste auszuwählen. Nur Musik im Ohr und ein in die Ferne gerichteter Blick verschonten einen vor Gerede über das Wetter. Es gab immer redselige Leute, die nach Aufmerksamkeit heischten und einem den neuesten Klatsch anvertrauen wollten. Das war der Nachteil einer Kleinstadt.
    Obwohl Ylva eine Zugezogene war. Mike, der in der Stadt aufgewachsen war, konnte keinen Schritt tun, ohne über die Vorfälle der letzten Zeit Rechenschaft ablegen zu müssen.
    Ylva ging durch die menschenleere, malerische Gasse
und kam an einem parkenden Wagen mit getönten Scheiben vorbei, ohne ihn weiter zu beachten. Die Musik war so laut, dass sie nicht hörte, wie der Motor angelassen wurde.
    Erst als das Auto langsam neben ihr herfuhr, ohne sie zu überholen, bemerkte sie es und drehte sich um. Das Seitenfenster glitt herunter.
    Ylva vermutete, dass jemand sie nach dem Weg fragen wollte. Sie blieb stehen und überlegte, ob sie den iPod abstellen oder einfach die Ohrstöpsel herausnehmen sollte. Sie entschied sich für Letzteres und trat einen Schritt auf das Auto zu, beugte sich vor und schaute hinein. Auf dem Beifahrersitz standen ein Karton und eine Handtasche. Die Frau am Lenkrad lächelte sie an.
    »Ylva?«, sagte sie.
    Eine Sekunde verging, dann verspürte sie ein unbehagliches Gefühl in der Magengrube.
    »Ich dachte doch, dass du das bist«, sagte die Fahrerin freundlich.
    Ylva erwiderte ihr Lächeln.
    »Das ist wirklich lange her.«
    Die Frau am Steuer wendete sich an einen Mann auf dem Rücksitz.
    »Siehst du denn nicht, wer das ist?«
    Er beugte sich vor.
    »Hallo, Ylva.«
    Ylva streckte den Arm durch das Seitenfenster und gab beiden die Hand.
    »Was machen Sie denn hier?«

    »Was wir hier machen? Wir sind gerade hierhergezogen. Und du?«
    Ylva begriff überhaupt nichts.
    »Ich wohne hier«, sagte sie. »Seit fast sechs Jahren.«
    Die Frau am Steuer schüttelte den Kopf, als könnte sie es nicht fassen.
    »Und wo?«
    Ylva sah sie an.
    »In Hittarp«, antwortete sie.
    Die Frau am Steuer drehte sich erstaunt zu dem Mann auf dem Rücksitz um und wandte sich dann wieder an Ylva.
    »Du machst wohl Witze! Wir haben dort gerade ein Haus gekauft. Sagt dir Sundsliden was, eine Straße, die zum Ufer hinunterführt?«
    Ylva nickte.
    »Da wohne ich auch.«
    »Sag bloß!«, sagte die Frau am Steuer. »Ist das die Möglichkeit! Hast du das gehört, Liebling? Sie wohnt in unserer Straße.«
    »Ja«, sagte der Mann.
    »So ein Zufall«, meinte die Frau. »Dann sind wir ja wieder Nachbarn. Bist du auf dem Weg nach Hause?«
    »Ja, doch.«
    »Steig ein, du kannst mitfahren.«
    »Aber ich …«
    »Steig schon ein. Hinten. Auf dem Beifahrersitz liegt so viel Kram.«
    Ylva zögerte, aber ihr fielen keine Einwände ein. Sie
nahm den anderen Ohrhörer aus dem Ohr, wickelte das Kopfhörerkabel um den iPod, öffnete die Autotür und stieg ein.
    Die Frau fuhr an.
    »Also, so was«, sagte der Mann, »dass du hier wohnst. Gefällt es dir hier?«
    »Ja«, sagte Ylva. »Die Stadt ist zwar kleiner, aber der Sund und die Strände sind fantastisch. Der Himmel ist ganz großartig. Es ist allerdings immer sehr windig, und die Winter sind auch kein Spaß.«
    »Nicht? Wie meinst du das?«
    »Nass und ungemütlich. Immer nur Schneeregen, nie weiß.«
    »Hast du das gehört?«, sagte der Mann zu der Frau. »Keine richtigen Winter. Nur Schneeregen.«
    »Ja«, erwiderte die Frau und sah Ylva im Rückspiegel an. »Aber jetzt ist es schön. In dieser Jahreszeit hat man keinen Grund zur Klage.«
    Ylva lächelte und nickte.
    »Ja, jetzt ist es schön.«
    Sie versuchte, positiv zu klingen und ein unbeschwertes Gesicht zu machen, aber ihr Gehirn arbeitete auf Hochtouren. Was hatte es zu bedeuten, dass die beiden hierhergezogen waren? Wie würde das ihr Leben beeinflussen? Was wussten sie?
    Das aufsteigende Unbehagen ließ sich nicht wegwischen.
    »Das klingt wunderbar«, sagte der Mann auf der Rückbank. »Oder, Liebling? Herrlich!«
    »Stimmt«, sagte die Frau am Steuer.

    Ylva sah
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