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Engelstrompeten: Ein Hiddensee-Krimi (German Edition)

Engelstrompeten: Ein Hiddensee-Krimi (German Edition)

Titel: Engelstrompeten: Ein Hiddensee-Krimi (German Edition)
Autoren: Birgit Lautenbach , Johann Ebend
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hören.
    Schöbel starrte wortlos auf die Tote. Betrachtete jede einzelne Verletzung. Er sah sich am Strand um, bevor sein Blick nach oben ging.
    »Sie hat keine Schuhe an«, sagte er schließlich. »Habt ihr irgendwo ihre Schuhe gefunden?«
    Kästner räusperte sich. »Wann hätten wir danach suchen sollen? Wir mussten …«
    »Augen aufmachen hätte schon gereicht«, fiel Böhm ihm ins Wort. Er konnte es einfach nicht lassen. Trotzdem war Pieplow ihm fast dankbar. Es war, als hätte der kleine, plötzliche Zorn auf dieses Großmaul bewirkt, dass der eisige Panzer Risse bekam.
    »Möglich, dass sie da oben irgendwo liegen«, sagte er ruhig und registrierte zufrieden die Handbewegung, mit der Schöbel Böhm Einhalt gebot. Unwillkürlich hoben alle die Köpfe.
    »Wie kommt man da’rauf?«, wollte Böhm wissen.
    Pieplow erklärte es ihm. Anderthalb Kilometer nach Süden oder Norden. Dann durch das Hochland von Osten auf den welligen Rücken des Swanti.
    »Habt ihr gehört?«, fragte Schöbel die Männer von der Kriminaltechnik. »Macht euch auf den Weg, sobald hier alles erledigt ist.«
    Dass daraus nichts werden würde, wusste Pieplow, als die erste Bö Sand aufwirbelte. Fein wie Zucker kreiselte er über den Strand und bedeckte alles mit einer pudrigen Schicht. Irgendwann war im Westen die dunkle wattige Linie am Horizont aufgestiegen, hatte sich ausgedehnt und ließ nun ein bedrohlich grollendes Blauschwarz in den Himmel fließen, durch das die ersten Blitze zuckten. Eine halbe Stunde noch, eher weniger, und der Wind würde das Wasser bis an die Kliffwand peitschen.
    Es blieb nicht viel Zeit, wenigstens die Tote zu bergen. Was es sonst noch an Spuren geben mochte, würde danach wohl in Sturmböen und Regen verloren gehen. Unwiederbringlich. Das war klar, als die ersten schweren Tropfen auf die graue Plane des Leichensacks fielen, der sich über Wanda Sievekings Leichnam schloss.

    Himmel und Meer tobten in allen Farben des Zorns. Die Wolken höllenschwarz, von grellweißen Blitzen zerrissen. Der Wind heulte. Brüllte. Peitschte Sturzregen vor sich her. Die See schäumte vor Wut.
    So wenigstens schien es Pieplow. Auch wenn nur ein Sommergewitter über sie hinwegfegte, wollten ihm die Geister des Ewigen, an die Wanda Sieveking geglaubt hatte, nicht aus dem Kopf und begleiteten ihn, bis die Nausikaa in den Hafen von Vitte einlief. Sturm und Wellen hatten sich beruhigt. Auf dem Anlegeplatz neben ihnen wagten sich zwei Hobbysegler wieder aus ihrer Kajüte.
    »Mein lieber Mann«, ächzte Schöbel, »das war wohl der stürmischste Einsatz, den ich je hatte.«
    »Ist eben’ne windige Ecke hier.« Kästner wischte sich das nasse, zerzauste Haar aus der Stirn. »Aber gleich sieht’s hier wieder ganz anders aus.« Mit einer Kopfbewegung deutete er zum Himmel, wo ein schwefeliges Gelb in das Grau der Wolken einsickerte und sie aufzulösen begann. »Aber jetzt gibt’s erstmal einen Kaffee, was meint ihr?«
    Schöbel nickte gleichgültig. Böhm sagte nichts. Gab nach der rauen Fahrt nur fahlgrün und klatschnass eine traurige Figur ab, die sich zur Frage, ob Berliner oder Kirschschnecken zum Kaffee, nicht äußerte.
    Pieplow wusste, was als Nächstes kam.
    »Bring beides«, wies ihn Kästner an und genoss sehr offensichtlich seinen Platzvorteil als Dienststellenleiter und sturmerprobter Hiddenseer. »Aber lass dich von den Damen hinterm Tresen nicht ausquetschen. Die erfahren noch früh genug, was passiert ist.«
    Der Anschein von Normalität tat Pieplow gut. Ein paar Minuten so tun, als sei dies ein Sommertag wie jeder andere. Das war es, was er jetzt brauchen konnte. Sich seinen Weg durch die Urlauber bahnen. Fahrrädern ausweichen und Bollerwagen, turmhoch mit Strandausrüstung bepackt.
    Dass ihm neugierige Blicke folgten, ignorierte Pieplow. Auch die zum Tuscheln zusammengesteckten Köpfe. Er sah einfach niemanden an, gab nicht das kleinste Signal, dass man ihn ansprechen könne. Wartete vor dem Bäckereitresen, bis die Reihe an ihm war.
    »Vier Berliner, vier Kirschschnecken.« Was Böhm nicht in seinen lädierten Magen bekam, würde Kästner verdrücken.
    »Ist die Kripo noch da?« Lore Mann sah nicht auf, während sie das zuckrige Gebäck in rot-weißes Papier einschlug. Wer seit Jahr und Tag Kuchen an seine Polizisten verkaufte, durfte das wohl fragen. Dass etwas Grauenvolles geschehen war, wusste man längst. Irgendwann würde man auch Einzelheiten erfahren. Das hatte keine Eile.
    Pieplow nickte nur.
    Lore reichte
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