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Engelstrompeten: Ein Hiddensee-Krimi (German Edition)

Engelstrompeten: Ein Hiddensee-Krimi (German Edition)

Titel: Engelstrompeten: Ein Hiddensee-Krimi (German Edition)
Autoren: Birgit Lautenbach , Johann Ebend
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Von wegen Kontakt und Einssein und was sonst noch alles. Keinen Finger haben sie krumm gemacht, als es darauf ankam.
    Sein Blick wanderte über die Furchen der Bergflanke, als gäbe es dort eine Erklärung für das Unfassbare. Mit zusammengekniffenen Augen suchte er die Steilwand ab. Senkrechte Kanten bis hoch unter die fransige Grasschicht. Keiner der sandigen Vorsprünge breit genug, um einen Sturz aufzuhalten. Hoch oben ein paar Strauchwurzeln. Nicht stark und nicht lang genug, um sich im Fallen daran zu klammern.

2
    Auch die Kripo kam übers Wasser. In kleiner Besetzung, aber ganz professionell mit einem Boot der Wasserschutzpolizei. Zwei Männer vom Erkennungsdienst mit Koffern und Kameras.
    Schöbel, Hauptkommissar. Rothaarig, groß, mit einer melancholischen Ruhe in allem, was er tat.
    In seinem Schlepptau Oberkommissar Böhm, braungebrannt, dynamisch, die unvermeidliche Sonnenbrille auf der Nase.
    Den ernsten Blick auf die Tote gerichtet, hörte Schöbel mit ausdruckslosem Gesicht zu, während Kästner Bericht erstattete.
    Wann sie was vorgefunden hatten. Die Zeugen ärztlich versorgt. Spurenlage. Sicherungsmaßnahmen. Am Fundort so wenig wie möglich verändert. Ihn abgesperrt, so gut es ging. Helfer aus den Zuschauern rekrutiert. Einen Finanzbeamten, einen Taxifahrer. Sie südlich und nördlich des Fundorts postiert. Man musste sich schließlich irgendwie behelfen, und bislang hatte noch kein Gaffer gewagt, sich an denen vorbeizudrängeln.
    »Weiter oben« – Kästner wies Richtung Enddorn – »und am Klausner sind die beiden einzigen Strandzugänge inzwischen gesperrt. Genau wie alle Wege ins Hochland.« Alle Blicke folgten Kästners Armbewegung nach oben zur Kliffkante. Zu sehen war nichts. Aber darauf, dass an den Jungs von Feuerwehr und Seenotrettung niemand vorbeikam, war Verlass.
    »Gut«, sagte Schöbel und nickte anerkennend. »Und was ist mit den Zeugen?«
    »Mit dem Rettungskreuzer zurück nach Vitte gebracht, nachdem wir die Personalien notiert haben.« Kästner klopfte mit der flachen Hand auf die Hemdtasche, in der sein Notizbuch steckte. »Viel sagen konnten sie nicht. Der Mann nur, dass er uns angerufen, aber sonst nichts unternommen hat. Bloß versucht, sich um die Frau zu kümmern, was aber schwierig gewesen sein soll.«
    Schöbels hochgezogene Augenbrauen zeigten an, dass er nähere Erklärungen wünschte.
    »Na ja«, sagte Kästner gedehnt. »Sie war – wie soll ich sagen – ziemlich durcheinander. Wollte erst niemanden an sich’ranlassen, nicht mal den Arzt. Wenn ich alles richtig verstanden habe, ist das da ihr Werk.« Weil er merkte, wie missverständlich das klang, schob er nach: »Nicht die Tote. Die will sie am Wasser liegend vorgefunden und da hochgeschleppt haben.«
    »Und weswegen die Steine?«, hakte Schöbel nach.
    Der Ekel in Kästners Stimme war nicht zu überhören. »Sie sagt, als Schutz gegen die Vögel. Genau wie der Knüppel, den sie in der Hand hielt. Angeblich hat sich ein Möwenschwarm über die Tote hergemacht.«
    Schöbel starrte ihn für einige Sekunden schweigend an und wandte sich dann an die Männer des Erkennungsdienstes: »Ihr könnt«, sagte er knapp.
    Pieplow stand abseits und folgte schweigend Wanda Sievekings trauriger Verwandlung. Wie aus der rätselhaften, heiteren Frau die Leichensache Sieveking wurde. Ein Fall, ein Vorgang. Eine Akte mit Berichten, Protokollen, Laborergebnissen. Nichts, worauf Wanda viel gegeben hätte. Für sie hatte sich Erkenntnis aus anderen Quellen gespeist. Viel taugen konnten die nicht, dachte er bitter. Sonst hätte das hier nicht passieren dürfen. Was immer es auch gewesen sein mochte. Damit konnte kein Mensch einverstanden sein. Auch nicht einer, für den der Tod nur eine Station auf der Reise durch alle möglichen Welten war.
    Es wurde nur das Notwendigste gesprochen. Ein paar Anweisungen von Schöbel. Ab und zu ein Hinweis auf etwas, das wichtig sein könnte. Ein Stück Holz, eine Feder, Steine mit Anhaftungen, die aussahen wie Blut. Vor und nach jeder Veränderung des Fundortes wurden Fotos gemacht, jeder Stein vorsichtig von der Toten genommen. Möglichst ohne die Lage eines anderen zu verändern. Quälend langsam kam der zerschundene Frauenkörper ganz zum Vorschein.
    Pieplow fühlte, wie Übelkeit in ihm aufstieg. Der Anblick gehörte zum Schlimmsten, vor dem er je gestanden hatte. Die Augenhöhlen nur noch schorfige Wunden. Ein Arm, so grotesk gewinkelt, dass Pieplow meinte, noch das Bersten der Knochen zu
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