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Engelsfluch

Engelsfluch

Titel: Engelsfluch
Autoren: Joerg Kastner
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Versehen ihr gesamtes Atombombenpotential in die Luft gejagt, oder ist nur weltweit die Pest ausgebrochen?«
    Normalerweise hätte das gereicht, um Elena zumindest ein kleines Schmunzeln zu entlocken, aber mit geradezu verbissenem Gesichtsausdruck fädelte sie den Fiat 500 in den Straßenverkehr ein und setzte den linken Blinker.
    »Geradeaus kommen wir schneller zum Vatikan«, sagte Alexander.
    »Wir fahren nicht zum Vatikan.«
    »Wer sagt das?«
    »Laura.«
    In diesen zwei Silben ließ Elena so viel Zorn mitschwingen, als sei Laura Monicini, die neue Chefredakteurin des
    »Messaggero di Roma«, der Teufel in Person. Dabei hatten sich die beiden Frauen immer gut verstanden. Alexander hatte den Eindruck, als sei Laura in den zwei Monaten, seit sie zusammenarbeiteten, für Elena so etwas wie eine mütterliche Freundin geworden, vielleicht ein Ersatz für die Mutter, die Elena nie gehabt hatte.
    »Wenn du dich ein wenig beruhigt hast, könntest du mir in ganzen Sätzen Aufschluss geben«, schlug Alexander vor. »Oder soll ich dich mit blöden Fragen quälen wie diese Fernsehkuh eben?«
    Er blickte über die Schulter nach hinten, wo das Fernsehstudio gerade aus dem Sichtfeld verschwand. Mit Schaudern dachte er an den Auftritt vor laufenden Kameras und schwor sich, sich nicht so schnell wieder auf etwas Derartiges einzulassen. Die Ereignisse um Papst Custos und die Wahre Ähnlichkeit Christi waren noch zu frisch. Da war es wohl unvermeidbar, dass die Journalisten ihn immer wieder auf seinen Vater ansprachen. Und das war ein Thema, über das er für kein Honorar der Welt gesprochen hätte, schon gar nicht für die mickrige Aufwandsentschädigung, die es für den Fernsehauftritt von eben gab. Laura hatte ihn und Elena dazu verdonnert, weil sie meinte, das sei eine gute Werbung für den
    »Messagero«. Alexander glaubte allerdings nicht, dass zurzeit irgendeine Zeitung in Rom Werbung benötigte: Angesichts der Hiobsbotschaft von der Kirchenspaltung würden die Kioskbesitzer ihre Blätter morgen schneller verkauft haben, als sie buon giorno sagen konnten. Vielleicht, überlegte Alexander, war er einfach zu empfindlich. Immerhin war er jetzt selbst ein Journalist – oder versuchte zumindest, einer zu werden. Sollte er da nicht Verständnis aufbringen für die berufliche Neugier seiner Kollegen? Aber es war eine Sache, die Fragen zu stellen, und eine ganz andere, die Antworten zu geben.
    Nachdem Elena an der Kreuzung abgebogen war, sagte sie:
    »Unser lieber Kollege Emilio Petti hält im Vatikan die Stellung, während wir in Trastevere nach einem ermordeten Priester sehen.«
    »Ein Mord an einem Priester, ausgerechnet heute?«
    »Das hat Laura auch gesagt. Sie meint, jeder auch noch so kleine oder unwahrscheinliche Zusammenhang zwischen dem Mord und der Kirchenspaltung gäbe eine prima Schlagzeile ab.«
    Alexander grinste. »Allmählich beginne ich zu verstehen, was man mit Sensationsjournalismus meint.«
    Er wurde schnell wieder ernst. »Du hast zu Laura etwas von
    ›gekreuzigt‹ gesagt. Was hast du damit gemeint?«

    »Laura sagte, man habe den ermordeten Priester an das Kruzifix seiner eigenen Kirche genagelt. So hat man ihn gefunden.«
    »Das scheint in der Tat eine Schlagzeile wert zu sein.
    Trotzdem wäre ich jetzt lieber im Vatikan.«
    Nun war es Elena, die grinste. »Der Journalist denkt, und die Chefredakteurin lenkt. Das, mein Lieber, ist die erste Lektion, die du als Mitglied unserer Zunft zu lernen hast.«
    Sie kamen gut voran. Die Straßen waren längst nicht so voll gestopft wie an anderen Tagen um diese Zeit. Wer jetzt nicht wegmusste, saß zu Hause vor dem Fernseher und verfolgte auf einem der vielen Kanäle, die ihr Programm geändert hatten, eine Sondersendung zum Schisma. Dank ihrer hervorragenden Ortskenntnis lenkte Elena den Fiat zielsicher durch die engen Straßen Trasteveres, bis es plötzlich nicht mehr weiterging.
    Mehrere Fahrzeuge, darunter Streifenwagen der Carabinieri und der Polizia municipale, der Stadtpolizei, versperrten die Straße. Zwischen den Fahrzeugen drängten sich die Menschen auf Fahrbahn und Gehweg. Die uniformierten Polizisten hatten Mühe, die aufgebrachte Menge im Zaum zu halten.
    »Hier in Trastevere scheinen die Leute nicht vor dem Fernseher zu hocken und gebannt auf Neuigkeiten aus dem Vatikan zu warten«, sagte Alexander, als Elena den Fiat neben einem blau-weißen Wagen der Stadtpolizei abstellte.
    »Kein Wunder, wenn man bedenkt, dass gerade ihr Pfarrer gekreuzigt
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