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Engelsblut

Engelsblut

Titel: Engelsblut
Autoren: Julia Kroehn
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Linz.
    Er suchte dessen Hilfe zur selben Zeit, als der Geistliche ihn von sich aus einlud.
    Verlegen, einer wie der andere, saßen sie im barocken Amtszimmer, umgeben von Gemälden, aus denen die Gesichter der Vorväter streng und unberührt in den trüben Raum starrten. Das Gespräch holperte. Der Domherr rühmte die Gattin des gütigen Kaisers Ferdinand, die treu ihren kränklichen Gatten umsorgte und unter Beweis stellte, wie wichtig eine verständnisvolle, aufopferungsvolle Frau sei – ein Glück wäre das für den höchsten Herrn des Staates, der seit kurzem erst regierte und von dem man nicht wisse, ob er die schwere Krone auf dem schwächlichen Haupt tragen könne.
    Sie nippten am alten französischen Likör, der noch aus jenen Zeiten stammte, da ein Gouverneur Napoleons Linz regiert hatte. Dann machte der Domherr ein Angebot.
    Wenn Graf Maximilian Marie die Ehe verspreche, so sei ihm eine monatliche Unterstützung zugedacht, mit der er alle Schulden begleichen und seinen Gutshof sogar noch vergrößern könne. Er wäre die Geldsorgen los und hätte eine hübsche, junge Frau, die ihm das Bett wärmen könne und die obendrein sehr fruchtbar sei.
    »Und bedenkt«, erklärte der Domherr nippend, »Ihr habt zwei Söhne aus Eurer ersten Ehe. Undenkbar also, dass jemand Euch beerben könnte, dessen Blut nicht das Eure ist.«
    Erst jetzt verstand Graf Maximilian, wovon der andere sprach, errötete, wollte nichts hören, warf schließlich den Namen einer Base ins Spiel, die an seiner Seite den Hof bewirtschaftete und die er eigentlich seit langem schon zu heiraten gedachte.
    Der Domherr lächelte süffisant, schenkte Likör nach, erhöhte den Betrag der monatlichen Zuwendung. Bedächtig setzte er hinzu, dass sich gewiss ein anderer Bräutigam für jenes Fräulein finden lasse.
    Marie tobte, schrie und heulte, als sie von ihrem Schicksal hörte. Man kleidete sie nicht zur Nonne, sondern zur Braut, führte sie die Treppe hinunter zur bereitstehenden Kutsche und gab ihr alles Hab und Gut hinterdrein, damit nichts von ihr bleiben möge im Haus des Domherrn. Als sie bei der Kutsche ankam, befreite sie sich, hastete die Stufen zurück zum Oheim, der dort stand, krallte ihre blassen Finger noch einmal in seine grau behaarten Unterarme. Betroffen packte er sie, schleifte das sich windende Mädchen zurück zum Gefährt. Sie hieb ihm die Zähne in die Hand – da schmeckte es salzig in ihrem, nicht in seinem Mund. Als sie endlich fort war, blickte er besorgt auf die Wunde und beschloss, sie in Branntwein zu tauchen, damit sie sich nicht entzünden möge.
    Bei ihrer Hochzeit war Marie erstarrt und verstummt. Ihr Bauch war dick, ihre Augen geschwollen, die Leute grinsten, als sie gratulierten. Erst später in der Nacht kehrte das Leben in sie zurück, sie konnte wieder fühlen und denken. Das Erste, was ihr einfiel, war, dass der Domherr sie missbraucht, verraten, fortgeschickt hatte. Um die Furcht loszuwerden, dass diese Ahnung wahr sein könnte, fiel ihr nichts anderes ein, als sich auf den Grafen zu stürzen, sich ihm anzuvertrauen – mit jenem Leib und jener Seele, die der Domherr weggeworfen hatte.
    Sie klammerte sich an Maximilian von Altenbach-Wolfsberg wie an den Geistlichen, rieb den geschwollenen Leib an ihm, befahl flehend und gellend, er möge sie zu seiner Frau machen und lieben und beweisen, dass der Domherr sie dem besten Gatten auf Erden anvertraut habe.
    Bislang war Marie dem Grafen nur ein Schatten gewesen, der sich weder rührte noch fühlen ließ. Jetzt, da dieser Schatten zu einem Körper wurde und sich mit all seinem Gewicht auf ihn warf, wich er zurück.
    »Lass mich! Lass mich!«, schrie er hilflos und eingeschüchtert. Er bekam Angst vor der Frau, die ihn ganz für sich haben wollte.
    »Lass mich!«, schrie er erneut, als sie nicht von ihm abließ – und dann beschimpfte er sie, dass kein Mann sie jemals freiwillig berühren würde, dass sie ein Kebsweib sei, dass sie einen stinkenden Bastard in ihrem gräulich aufgeblasenen Leib trage.
    »Ich bin Eure Frau! Mein Kind wird Euren Namen tragen!«, gab sie zurück.
    Endlich riss der Graf sich los, rannte aus ihrem Schlafgemach in seines, als ginge es um sein Leben, schloss panisch die Tür hinter sich und drehte den Schlüssel zweimal um, da sie ihm nachgeeilt war.
    Marie hämmerte sich an der Tür die Hände wund – im Takt der Worte, an denen sie sich festbiss wie am Grafen: Der Domherr will mein Bestes, der Domherr will mein Bestes. Ihre Hände
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