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Endymion Spring - Die Macht des geheimen Buches

Endymion Spring - Die Macht des geheimen Buches

Titel: Endymion Spring - Die Macht des geheimen Buches
Autoren: Matthew Skelton
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auf seine schöne elegante Handschrift und auf seine Leistungen im Abschreiben von Messbüchern und anderen religiösen Werken. Ihm gefiel die Vorstellung, dass er die Feder mit dem gleichen Geschick führte, wie es zur Beherrschung des Schwertes nötig war - nur ließ er Tinte fließen, nicht Blut.
    Aber dann war Fust gekommen, und alles hatte sich geändert.
    Wie ein Geist aus früheren Zeiten hatte er ihm Reichtum und Macht versprochen, alles hatte er ihm versprochen, solange Peter einige wenige einfache Arbeiten für ihn tun und ihn begleiten würde. Sogar die Hand seiner Tochter Christina hatte er ihm für seine treuen Dienste versprochen.
    Wie konnte er da widerstehen?
    Peter spuckte aus, blickte missmutig in die Dunkelheit und rieb seine Handflächen, in denen sich Blasen gebildet hatten. Ein Seil war um seine Hüften geschlungen und hinter ihm am Schlitten befestigt, den er wie ein Ochse durch den Schnee ziehen musste. Das war sein Joch, seine Bürde, sein Teil der Abmachung. Peter Schöffer aus Gernsheim war nicht besser als ein Tier!
    Als wären Reiseproviant und Decken nicht schwer genug, musste zusätzlich eine große sperrige Truhe mitgeschleppt werden. Abscheuliche Ungeheuer waren darauf geschnitzt, die selbst Peters vorwitzige Finger abschreckten. Noch furchteinflößender waren die beiden Schlangen aus schwarzem Metall, die sich um den Rand des Deckels wanden. Ihre Köpfe waren wie zu einem raffinierten Schloss ineinander verschlungen. Eine falsche Berührung, so hatte Fust gewarnt, und das starke Gift aus ihren Fängen würde ihn für immer lähmen.
    Peter schauderte. Konnte das wahr sein?
    Fust sprach meistens in Rätseln, teils um den Jungen gefügig zu machen, teils aber auch, um sein Geheimnis zu hüten. In der Truhe sei etwas Einzigartiges, etwas Erlesenes, behauptete er, mit dessen Hilfe sie eines Tages die ganze Welt in Händen halten würden. Es sei ein Auge in die Zukunft und eine Stimme aus der Vergangenheit. Alles, was sie brauchten, sei eine Möglichkeit, es sich nutzbar zu machen, so dass seine Prophezeiungen in einem lebendigen, atmenden Buch zu lesen wären. Und dabei sollte Peter helfen ...
    Peter schüttelte den Kopf. Jetzt, am Ende einer Reise und am Beginn der nächsten, dachte er noch einmal über alles nach. Was, wenn die Sache mit dem Buch ein Fehler war wie Evas Entschluss, in den Apfel zu beißen? Ein Versuch, verbotenes Wissen zu erlangen? Was, wenn er seine Seele in Gefahr brachte? Knechtschaft im irdischen Leben war das eine, aber ewige Verdammnis war etwas ganz anderes!
    An der Einmündung eines der Gässchen wartete Fust auf ihn. Peter stieß einen unterdrückten Fluch aus, stemmte sich in sein Geschirr und zog von neuem die schwere Last hinter sich her. Er prustete wie ein Arbeitspferd. Doch es gab keinen Weg zurück. Er hatte sich entschieden.
    Der Schnee, der jetzt dichter fiel, legte sich schnell und leise über ihre Spuren, so dass nicht einmal ein Frühaufsteher am nächsten Morgen hätte sagen können, aus welcher Richtung sie gekommen oder wohin sie gegangen waren. Stattdessen bot sich den Bürgern von Mainz der Blick auf eine unberührte Welt: eine glitzernde, schneebedeckte Stadt ohne Dung- und Unrathaufen. Sie waren geblendet vom Anblick der makellosen Oberfläche und spürten nicht die Gefahr, die im Schutz der Dunkelheit in ihre Stadt gekommen war.
    Nur ich wusste es besser ...

    Wie gewöhnlich hockte ich vor dem kleinen Fensterflügel in der Werkstatt an der Ecke der Christophstraße und sah zum Mond hinauf. Trotz des Schneegestöbers schimmerte sein fleckiges Gesicht durch die Wolken, und fasziniert beobachtete ich, wie die Schneeflocken schwärzlich durch sein Licht tanzten, bevor sie sich als makellos weiße Decke auf die Erde setzten: eine verblüffende Zauberei. Über den Dächern ragte der Schatten des Doms auf, wachsam wie der Himmel selbst.
    Mein Meister hatte weder die sinkende Temperatur noch das schwächer werdende Licht bemerkt - er war vertieft in die diffizile Kunst seiner Erfindung. Die anderen Gesellen hatten sich längst für die Nacht in die Schlafkammer oben im Haus begeben, er aber hatte einen Hocker ans Feuer gezogen und arbeitete weiter an einem fein geformten Metallteilchen. Mit einem scharfen Werkzeug schabte er Messing in winzigen Röllchen von den Kanten der Gussform.
    Als Perfektionist, der er war, nahm er immer wieder kleinste Änderungen vor, so dass jede seiner hergestellten Drucktypen exakt die richtige Menge Tinte aufs Papier
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