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Endstation Nippes

Titel: Endstation Nippes
Autoren: Ingrid Strobl
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findest du das?«
    Ich schrak hoch.
    »Wo warst du denn grade?« Stefan sah mich verärgert an.
    Zum Glück kam Franco und stellte unser Essen auf den Tisch.
    Ich pickte mir einen dicken Pfifferling heraus und fragte: »Kennst du jemanden, der mir eine Pflegemutter für meine Sendung vermitteln könnte?«
    Stefan dachte einen Moment lang nach, dann schüttelte er den Kopf. Wir konzentrierten uns schweigend auf das Essen.
    »Schmeckt’s?«, fragte Anita im Vorbeigehen.
    »Und wie!«, seufzte ich.
    Stefan musste seinen Standardsatz anbringen: »Ja, aber die Portionen werden immer kleiner!«
    Anita verdrehte lachend die Augen und nahm am Nebentisch die Bestellung auf.
    Mr. Unersättlich wischte mit dem letzten Stückchen Brot seinen Teller aus und nahm mit einem unverhüllt gierigen Blick den meinen ins Visier. Ich zog ihn näher an mich ran. Ich bin, was Essen-von-meinem-Teller-Klauen betrifft, traumatisiert. Das war der Lieblingssport meines Bruders. Was heißt war. Nur leidet jetzt meine Schwägerin darunter.
    Stefan seufzte und sagte unvermittelt: »Du könntest im Kinderschutzzentrum nachfragen.«
    Da hätte ich selber draufkommen können. Schließlich hatte mir die Leiterin ein wunderbares Interview für meine Sendung über misshandelte Kinder gegeben.
    Wir rauchten noch unser Verdauungszigarettchen, bezahlten und standen mal wieder vor der üblichen Frage. Bevor ich sie stellen konnte, erklärte Stefan, er müsse nach Hause. Nuschelte etwas von »morgen ganz früh raus«. Sofort war ich misstrauisch. Und verletzt. Dabei bin ich nun wirklich nicht der Typ Frau, der klammert. Und außerdem hatte ich ihm letzte Woche genau den gleichen Korb gegeben. Trotzdem rutschte mir ein beleidigtes »Is was?« raus. Ich hätte mich ohrfeigen können.
    »Nein!«, rief Stefan erschrocken und sah mich verwundert an. »Ich muss um acht in Düren sein, einen Klienten abholen. Und da muss ich um sechs aufstehen. Und wenn ich erst noch von Nippes in die Südstadt fahren muss, um das Auto abzuholen, dann muss ich noch früher …«
    Ich unterbrach ihn reumütig. Versicherte ihm, dass er mir nichts, aber auch wirklich gar nichts erklären müsse, dass ich außerdem vollstes Verständnis hätte und ihn einfach nur schrecklich liebte.
    »Ich liebe dich auch«, sagte er ernst. »Und wir sollten vielleicht mal drüber nachdenken, ob eine gemeinsame Wohnung nicht praktischer wäre.«
    Damit brachte er mich voll in die Bredouille. Denn zum einen lebe ich schon so lange allein respektive mit Rosa, dass ich mir etwas anderes gar nicht mehr vorstellen kann. Und zum andern würde ich auch nicht gern wohin ziehen, wo Hertha nicht gleich nebenan wohnt. Also gab ich meinem Liebsten ohne weiteren Kommentar einen ziemlich innigen Kuss und begleitete ihn zur Lohsestraße. Als er in die Bahn stieg, wurde mir schwer ums Herz. So eine Fernbeziehung Nippes–Südstadt ist schon was Schwieriges. Aber in unserem Haus gibt es keine größeren Wohnungen. Und von Hertha und meinem Solotrip mal abgesehen: Ich in die Südstadt? Niemals!

VIER
    »Hast du die Telefonitis?«
    Meine liebste Freundin Gitta kann manchmal etwas schroff sein.
    »Ich arbeite«, verkündete ich hoheitsvoll, »und arbeiten als Journalistin bedeutet recherchieren. Und das wiederum bedeutet: telefonieren, telefonieren, telefonieren. Und außerdem wünsche ich dir auch einen wunderschönen Tag!«
    »Ach Katja, tut mir leid. Ich versuche bloß seit einer guten Stunde, bei dir durchzukommen.«
    »Tut mir auch leid«, erwiderte ich reumütig. »Ich bin bloß genervt, weil ich irgendwie nicht vorankomme.«
    Jetzt wollte Gitta natürlich wissen, woran ich arbeitete. Gitta macht gerade Heimaturlaub, obwohl es mitten in der Saison ist. Sie hat eine kleine Ferienanlage auf Mallorca und ist deshalb für mich normalerweise nur in der »toten Zeit«, wie sie das nennt, zu haben. Jetzt verhandelte sie aber mit einem großen Reiseunternehmer über eine eventuelle Übernahme, und dafür war sie eigens angereist. Gitta hat in ihrem Leben schon viel gemacht, von Öko-Bäuerin bis Heilpraktikerin und Hobbyarchitektin. Sie ist meine älteste Freundin und darf mich deshalb auch mitten in einer Recherche stören. Ich erzählte ihr von meinem Pflegemutter-Problem.
    »So jemanden kenne ich leider auch nicht«, meinte sie nachdenklich. »Aber das müssen schon tolle Frauen sein.«
    »Kommt drauf an«, erwiderte ich trocken. Ich hatte gerade mit einem Fachmann gesprochen und war nun ziemlich desillusioniert. Oft,
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