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Endstation für neun

Endstation für neun

Titel: Endstation für neun
Autoren: Maj Sjöwall;Per Wahlöö
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so einem dreckigen alten Kerl zusammenleben wollen«, erwiderte die Frau. »Was hast du vor?«, fragte Kvant misstrauisch. Kristiansson antwortete nicht. Er bückte sich und nahm die Schlüssel aus der Hand des Schlafenden. Anschließend zog er den Betrunkenen mit einem Griff, der von langjähriger Übung zeugte, auf die Beine, schob die Haustür mit dem Knie auf und schleppte den Mann zu seiner Wohnung. Die Frau zog sich ein wenig zurück, und Kvant blieb auf der Eingangstreppe stehen. Beide betrachteten die Szene mit passiver Unzufriedenheit. Kristiansson schloss auf, machte Licht und zog dem Mann den nassen Mantel aus. Der Betrunkene machte einen taumelnden Schritt, sank aufs Bett und sagte: »Danke, kleines Fräulein.«
    Dann kippte er zur Seite und schlief ein. Kristiansson legte den Schlüsselbund auf einen Holzstuhl neben dem Bett, löschte das Licht, schloss die Tür und kehrte zum Auto zurück.
    »Gute Nacht, gnädige Frau«, sagte er.
    Die Frau starrte ihn mit verkniffener Miene an, legte den Kopf schief und entfernte sich. Kristiansson handelte nicht aus Menschenliebe so, sondern weil er faul war.
    Keiner wusste das besser als Kvant. Als sie noch gewöhnliche Streifenpolizisten in Malmö gewesen waren, hatte er viele Male miterlebt, wie Kristiansson Betrunkene über Straßen und sogar Brücken brachte, um sie so in die Zuständigkeit des nächsten Polizeireviers abzuschieben.
    Kvant setzte sich ans Steuer. Er ließ den Motor an und sagte säuerlich:
    »Siv behauptet immer, ich wäre faul. Sie sollte dich mal sehen.«
    Siv war Kvants Frau und darüber hinaus sein liebstes und oft auch einziges Gesprächsthema.
    »Warum soll man sich unnötig vollkotzen lassen«, erwiderte Kristiansson stoisch. Kristiansson und Kvant hatten die gleiche Statur und sahen sich sehr ähnlich. Beide waren eins sechsundachtzig groß, blond, breitschultrig und blauäugig. Aber sie hatten ein sehr unterschiedliches Temperament und waren in zahlreichen Fragen verschiedener Meinung. So wie jetzt.
    Kvant war unerbittlich. Wenn es um Dinge ging, die er sah, ließ er sich grundsätzlich nie auf einen Kompromiss ein, andererseits verstand er es meisterhaft, möglichst wenig zu sehen.
    Von Huvudsta aus fuhr er langsam und verbissen schweigend eine Schleife, vorbei an der Staatlichen Polizeihochschule, danach durch eine Schrebergartenkolonie, dann am Eisenbahnmuseum, dem Staatlichen Labor für Bakteriologie und der Blindenschule vorbei und anschließend im Zickzack durch den gesamten weitläufigen Hochschuldistrikt mit seinen verschiedenen Instituten, um schließlich bei den Verwaltungsgebäuden der Staatlichen Eisenbahn auf den Tomtebodavägen zu gelangen. Es war eine meisterhaft abgesteckte Route, die durch praktisch hundertprozentig menschenleere Gebiete führte. Auf dem ganzen Weg begegneten sie denn auch keinem einzigen Auto und sahen nur zwei Lebewesen, erst eine Katze und dann noch eine.
    Als sie das Ende des Tomtebodavägen erreicht hatten und der Kühler noch einen Meter von der Stockholmer Stadtgrenze entfernt war, hielt Kvant an und überlegte bei laufendem Motor, wie sie ihre restliche Schicht gestalten sollten. Ich bin gespannt, ob du so dreist bist, den gleichen Weg zurückzufahren, dachte Kristiansson. Laut sagte er: »Kannst du mir einen Zehner leihen?«
    Kvant nickte, holte sein Portemonnaie aus der Innentasche und überreichte den Geldschein, ohne seinen Kollegen auch nur eines Blickes zu würdigen. Gleichzeitig traf er eine schnelle Entscheidung. Wenn er die Stadtgrenze überquerte und der Norra Stationsgatan fünfhundert Meter in nordöstlicher Richtung folgte, würden sie sich nur für zwei Minuten in Stockholm aufhalten müssen. Anschließend konnte er auf den Eugeniavägen abbiegen, das Krankenhausgelände durchqueren und durch den Hagapark und am Nordfriedhof vorbeifahren, um schließlich das Polizeipräsidium zu erreichen. Danach würde ihr Dienst beendet sein, und die Chance, unterwegs etwas zu sehen, durfte als minimal betrachtet werden.
    Der Wagen fuhr auf Stockholmer Stadtgebiet und bog links in die Norra Stationsgatan. Kristiansson steckte den Zehner ein und gähnte. Dann blinzelte er in den strömenden Regen hinaus und sagte:
    »Da kommt angerannt irgendein alter Knacker.«
    Kristiansson und Kvant stammten aus Schonen, und ihr Sinn für Wortstellung ließ einiges zu wünschen übrig.
    »Einen Hund hat er auch«, sagte Kristiansson. »Er winkt uns zu.«
    »Das geht mich nichts an«, erwiderte Kvant.
    Der Mann
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