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Endstation für neun

Endstation für neun

Titel: Endstation für neun
Autoren: Maj Sjöwall;Per Wahlöö
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zog seinen dunkelblauen Popelinemantel über. »Reicht es nicht, dass ich erkältet bin?«, fragte Martin Beck. Martin Beck und Kollberg waren Polizisten und gehörten zur Reichsmordkommission. Im Moment lag nichts Besonderes vor, weshalb sie mit relativ gutem Gewissen von sich behaupten konnten, freizuhaben.
    In der Innenstadt waren keine Polizisten auf den Straßen. Die alte Dame vor dem Hauptbahnhof wartete vergeblich darauf, dass ein Polizist zu ihr kommen, höflich grüßen und ihr lächelnd über die Straße helfen würde. Eine Person, die gerade mit einem Ziegelstein das Glas eines Schaufensters mitten in der City eingeschlagen hatte, musste nicht befürchten, dass die Sirene eines Streifenwagens ihrem Vorhaben ein plötzliches Ende setzen würde. Die Polizei war beschäftigt.
    Eine Woche zuvor hatte der Reichspolizeichef öffentlich erklärt, viele reguläre Aufgaben der Polizei müssten vernachlässigt werden, da man gezwungen sei, die amerikanische Botschaft vor Briefen und anderem zu schützen, was von Leuten kam, die etwas gegen Lyndon B.
    Johnson und den Krieg in Vietnam hatten.
    Auch der Erste Kriminalassistent Lennart Kollberg hatte etwas gegen Lyndon B. Johnson und den Krieg in Vietnam, hielt aber viel davon, bei Regen durch die Stadt zu schlendern. Um elf Uhr abends regnete es immer noch, und die Demonstration konnte als aufgelöst betrachtet werden. Zur selben Zeit wurden in Stockholm acht Morde und ein Mordversuch begangen.

2
    Regen, dachte er und blickte missmutig aus dem Fenster. Novemberdunkelheit und kalter, strömender Regen. Vorboten des nahenden Winters. Bald würde es schneien. Nichts in der Stadt war im Moment sonderlich attraktiv, erst recht nicht diese Straße mit ihren kahlen Bäumen und den großen, vom Alter gezeichneten Mietshäusern. Eine trostlose Paradestraße, die schon zum Zeitpunkt ihrer Erbauung fehlgerichtet und falsch geplant war. Sie führte im Grunde nirgendwohin und hatte es auch nie getan, lag nur da als triste Erinnerung an eine vor langer Zeit mit hochfliegendem Ehrgeiz begonnene, jedoch niemals umgesetzte Städteplanung. Es gab keine hellerleuchteten Schaufenster und keine Menschen auf den Bürgersteigen. Nur große, kahle Bäume und Straßenlaternen, deren kaltes weißes Licht von Pfützen und regenglänzenden Autodächern reflektiert wurde.
    Er war so lange durch den Regen gestiefelt, dass seine Haare und die Hosenbeine mittlerweile klatschnass waren, und nun spürte er die Feuchtigkeit kalt an den Schienbeinen, im Nacken, am Hals und zwischen den Schulterblättern hinuntersickern. Er öffnete die beiden oberen Knöpfe seines Mantels, steckte die rechte Hand unter das Jackett und ließ die Finger leicht über den Kolben der Pistole gleiten. Auch der fühlte sich kalt und feucht an.
    Bei der Berührung durchfuhr den Mann in dem dunkelblauen Popelinemantel ein unwillkürlicher Schauer, und er versuchte, an etwas anderes zu denken. Zum Beispiel an die Hotelterrasse in Andraitx, wo er vor fünf Monaten Urlaub gemacht hatte. An die schwere, stehende Hitze und den klaren Sonnenschein über dem Kai, an die Fischerboote und den scheinbar zum Greifen nahen, tiefblauen Himmel über dem Bergkamm auf der anderen Seite der Bucht.
    Dann dachte er, dass es dort um diese Jahreszeit vermutlich auch regnete und es in den Häusern keine Heizung gab, nur offene Kamine.
    Und dass er sich nicht mehr auf derselben Straße wie vorhin befand und bald wieder in den Regen hinausmusste. Hinter sich hörte er jemanden auf der Treppe, und er wusste, dass es die Person war, die zwölf Haltestellen zuvor beim Kaufhaus Ahlens in der Klarabergsgatan eingestiegen war. Regen, dachte er. Ich kann ihn nicht leiden. Genau genommen hasse ich ihn. Ich frage mich, wann ich befördert werde. Was habe ich hier eigentlich zu suchen, warum liege ich nicht zu Hause bei…
    Und das war sein letzter Gedanke.
    Der Bus war ein roter Doppeldecker mit cremefarbenem Oberdeck, in England gebaut, aber für den zwei Monate vorher in Schweden eingeführten Rechtsverkehr konstruiert. An diesem Abend war er auf der Linie 47 in Stockholm in Betrieb, von Bellmansro auf Djurgärden bis Karlberg und zurück. In diesem Moment fuhr er in nordwestliche Richtung und näherte sich der Endstation an der Norra Stationsgatan, die nur wenige Meter von der Stadtgrenze zwischen Stockholm und Solna entfernt lag. Solna ist ein Vorort Stockholms mit eigenständiger kommunaler Verwaltung, auch wenn sich die Grenze zwischen den beiden Städten
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