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Enders Schatten

Enders Schatten

Titel: Enders Schatten
Autoren: Orson Scott Card
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riesig.«
    Vielleicht hatte Beans Warnung sie vorsichtiger gemacht. Sie gab noch nicht nach. »Und du wirst nicht irgendwann finden, dass es dir peinlich ist, einen Haufen kleiner Kinder in deiner Bande zu haben?«
    Â»Es ist deine Bande, nicht meine.«
    Lügner, dachte Bean. Siehst du nicht, dass er dich anlügt?
    Â»Für mich«, sagte Achilles, »seid ihr meine Familie. Meine kleinen Brüder und Schwestern. Und um seine Familie muss man sich doch kümmern, nicht wahr?«
    Bean erkannte sofort, dass Achilles gewonnen hatte. Er war ein Schläger, und er hatte diese Kids seine Brüder und Schwestern genannt. Bean sah den Hunger in ihren Augen. Nicht den normalen Hunger nach Essen, sondern den wahren Hunger, das tiefe Bedürfnis nach einer Familie, nach Liebe, danach, irgendwo hinzugehören. Gekostet hatten sie davon schon, weil sie in Pokes Bande waren. Aber Achilles versprach ihnen mehr. Er hatte gerade Pokes bestes Angebot überboten. Jetzt war es zu spät, ihn umzubringen.
    Zu spät, aber für einen Augenblick sah es so aus, als wäre Poke so dumm, es doch noch zu versuchen. Sie hob den Ziegelstein höher.
    Â»Nein«, sagte Bean. »Das geht nicht mehr. Er gehört jetzt zur Familie.«
    Sie senkte den Ziegel auf Taillenhöhe. Langsam drehte sie sich zu Bean um. »Hau ab«, sagte sie. »Du gehörst nicht zu meiner Bande. Du hast hier nichts zu suchen.«
    Â»Nein«, schnaufte Achilles. »Ihr solltet mich lieber umbringen, wenn ihr ihn so behandeln wollt.«
    Oh, das klang tapfer. Aber Bean wusste, dass Achilles nicht tapfer war. Nur schlau. Er hatte schon gewonnen. Es zählte nicht, dass er am Boden lag und Poke immer noch den Ziegel in der Hand hatte. Es war jetzt seine Bande. Poke war erledigt. Es würde eine Weile dauern, bevor jemand außer Bean und Achilles das verstand, aber der Kampf um die Autorität fand hier und jetzt statt, und Achilles würde ihn gewinnen.
    Â»Dieser Kleine hier«, krächzte Achilles, »gehört vielleicht nicht zu deiner Bande, aber er gehört zu meiner Familie. Also sag meinem Bruder nicht, dass er abhauen soll.«
    Poke zögerte. Einen Augenblick. Noch einen Augenblick.
    Lange genug.
    Achilles setzte sich auf. Er rieb sich die blauen Flecken und Prellungen. Er warf den kleinen Kindern, die ihn mit Ziegeln beschmissen hatten, einen scherzhaft bewundernden Blick zu. »Mann, ihr seid ja echt taff!« Sie lachten – zunächst nervös. Würde er ihnen wehtun, weil sie ihm wehgetan hatten? »Keine Sorge«, sagte er. »Ihr habt mir gezeigt, was ihr draufhabt. Das werden wir noch mit vielen Schlägern machen, wisst ihr? Ich musste doch erst herausfinden, ob ihr das auch könnt. Gute Arbeit. Wie heißt ihr?«
    Er ließ sich all ihre Namen nennen. Er versuchte, sie sich einzuprägen, und wenn er einen Fehler beging, machte er ein großes Theater, entschuldigte sich und strengte sich sichtlich an, sich den Namen noch besser zu merken. Es dauerte nur fünfzehn Minuten, und sie liebten ihn.
    Wenn er das kann, dachte Bean, wenn er Leute so schnell dazu bringen kann, ihn zu lieben, wieso hat er es vorher nicht getan?
    Weil diese Idioten immer nach Macht streben. Leute, die über einem stehen, wollen ihre Macht nie mit einem teilen. Warum zu ihnen aufblicken? Von denen hat man nichts zu erwarten. Aber die Leute unter einem – denen gibt man Hoffnung, man bringt ihnen Respekt entgegen, und sie vergelten es einem mit Macht, weil sie nicht glauben, dass sie selbst welche haben. Also stört es sie nicht, ihre Macht aufzugeben.
    Achilles stand auf, immer noch ein wenig wacklig, und sein krankes Bein schmerzte ihn sichtlich mehr als sonst. Alle wichen zurück und machten ihm Platz. Er hätte jetzt gehen können, wenn er gewollt hätte. Hätte auf Nimmerwiedersehen verschwinden können. Oder ein paar andere Schläger holen, zurückkommen und die Bande bestrafen können. Aber er blieb stehen und lächelte, griff in die Tasche und holte etwas ganz Unglaubliches heraus: einen Haufen Rosinen. Eine ganze Hand voll. Sie starrten seine Hand an, als trüge sie die Spur eines Nagels in der Handfläche.
    Â»Kleine Brüder und Schwestern zuerst«, sagte er. »Die Kleinsten als Erste.« Er sah Bean an. »Du.«
    Â»Er nicht!«, protestierte der Nächstkleinere. »Wir kennen ihn nicht mal.«
    Â»Bean wollte, dass wir dich umbringen «,
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