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Enders Schatten

Enders Schatten

Titel: Enders Schatten
Autoren: Orson Scott Card
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ihrer Hand, steckte sie in den Mund und kaute langsam.
    Â»Nimm sie alle, Bean «, sagte sie ungeduldig.
    Er streckte die kleine Hand aus. Sie war schwach. Er konnte keine Faust machen. »Kann sie nicht alle halten«, raunte er. »Halten kann ich nicht gut.«
    Verdammt. Sie verschwendete gute Erdnüsse an ein Kind, das sowieso sterben würde.
    Aber sie würde seine Idee ausprobieren. Es war verwegen, aber es war der erste Plan, von dem sie je gehört hatte, bei dem die Möglichkeit bestand, dass sie ihr elendes Leben ändern konnte, ohne Mädchenkleider anziehen und auf den Strich gehen zu müssen. Und da es seine Idee gewesen war, musste die Bande sehen, dass sie ihn gerecht behandelte. So blieb man Boss. Sie mussten immer sehen, dass man fair war.
    Also hielt sie so lange die Hand hin, bis er alle sechs Erdnüsse gegessen hatte, eine nach der anderen.
    Nachdem er die letzte hinuntergeschluckt hatte, sah er Poke noch einmal in die Augen. »Aber du musst bereit sein, ihn zu töten.«
    Â»Ich will ihn lebendig.«
    Â»Du musst ihn töten, wenn er nicht der Richtige ist.« Damit schlurfte Bean über die Straße zu seinem Mülleimer und kletterte mühsam wieder dort hinauf, wo er alles beobachten konnte.
    Â»Du bist keine vier Jahre alt«, rief Sergeant hinter ihm her.
    Â»Ich bin vier, aber ich bin klein«, rief er zurück.
    Poke gebot Sergeant zu schweigen, und sie machten sich auf die Suche nach Backsteinen. Wenn sie schon einen kleinen Krieg vom Zaun brechen mussten, sollten sie sich besser bewaffnen.
    Bean mochte seinen neuen Namen nicht, aber es war ein Name, und einen Namen zu haben bedeutete, dass andere wussten, wer er war, und ihn irgendwie rufen konnten, und das war gut. Genau wie die sechs Erdnüsse. Sein Mund wusste kaum, was er damit anfangen sollte. Kauen tat weh.
    Es tat auch weh zuzusehen, wie Poke den Plan, den er ihr gegeben hatte, verdarb. Bean hatte sie nicht angesprochen, weil sie der schlaueste Bandenboss in Rotterdam war. Ganz im Gegenteil. Ihre Bande konnte kaum überleben, weil Poke so wenig draufhatte. Und zu mitleidig war. Sie hatte nicht genug Grips, um sich ausreichend Essen zu besorgen, damit sie wohlgenährt aussah, und so fand ihre Bande sie zwar nett und mochte sie, aber auf Fremde wirkte sie eher unfähig. Sie schien nicht gerade ein guter Boss zu sein.
    Aber wäre sie ein guter Boss, hätte sie ihn überhaupt nicht angehört. Er wäre ihr nie auch nur nahe genug gekommen. Oder wenn sie ihn angehört hätte, wenn seine Idee ihr gefallen hätte, hätte sie ihn anschließend erledigt. So verlangte es das Gesetz der Straße. Wer nett war, starb. Poke war fast zu nett, um am Leben zu bleiben. Darauf zählte Bean. Aber er fürchtete es jetzt auch.
    Die ganze Zeit, die er damit verbracht hatte, Leute zu beobachten, während sein Körper sich aufzehrte, wäre ohne Pokes Einsatz verschwendet gewesen. Und Bean hatte schon genug Zeit verschwendet. Als er angefangen hatte zu beobachten, wie die Straßenkinder lebten, wie sie einander bestahlen, einander an die Kehle gingen, einander in die Taschen griffen und jeden Teil von sich verkauften, der irgendwie verkäuflich war, hatte er genau gesehen, was sie besser machen könnten, wenn sie nur genug Grips hätten, aber er hatte seinem eigenen Urteil nicht getraut. Er war sicher gewesen, dass es noch etwas anderes geben musste, etwas, das er einfach noch nicht begriff. Er strengte sich an, mehr zu lernen – über alles. Lesen zu lernen, damit er wusste, was die Schrift auf LKW s und Läden und Containern bedeutete. Genug Holländisch und IF -Common zu lernen, um alles zu verstehen, was die Leute sagten. Es half dabei nichts, dass der Hunger ihn dauernd ablenkte. Er hätte vielleicht mehr Nahrung finden können, wenn er nicht so viel Zeit damit verbracht hätte, die Leute zu beobachten. Aber schließlich hatte er begriffen: Er verstand es schon. Er hatte es von Anfang an verstanden. Es gab kein Geheimnis, das Bean nur deshalb nicht begriff, weil er noch klein war. Der Grund dafür, dass diese Kids sich bei allem so dumm anstellten, bestand einfach darin, dass sie dumm waren.
    Sie waren dumm, und er war schlau. Also, warum war er dann am Verhungern, während diese Kids zu essen hatten? Er hatte beschlossen zu handeln. Er hatte sich Poke als Bandenboss ausgesucht. Und nun saß er auf einer Mülltonne und sah zu, wie sie es
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