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Ende (German Edition)

Ende (German Edition)

Titel: Ende (German Edition)
Autoren: David Monteagudo
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früher, die Jahre gehen nicht spurlos an einem vorüber. Übrigens hast du sie sicher schon gesehen, wir haben sie auch mal auf der Straße getroffen, und ich hab sie gegrüßt.»
    «Ich achte doch nicht ständig darauf, wen du grüßt.»
    «Ist ja auch egal, jedenfalls sah sie früher gut aus, ein bisschen groß vielleicht, aber ein ‹hübsches Mädel›, wie meine Großmutter gesagt hätte. Den Spitznamen Yeti hat Ibáñez ihr verpasst, wahrscheinlich weil sie nicht mit ihm ins Bett wollte, da könntest du recht haben. Nieves ist sich immer treu geblieben, eine gute Seele, ein bisschen naiv. Nett zu allen und jedem, konnte gut zuhören, und da haben manche eben gedacht, sie könnten einen Schritt weitergehen, aber Pustekuchen.»
    «Unter anderem du, stimmt’s?»
    «Diese Angabe ist für die Studie nicht relevant», sagt Hugo schnell und mit verstellter Stimme, die offenbar jemanden imitieren soll. «Jedenfalls hat Nieves früh geheiratet, einen großgewachsenen, gut aussehenden Typen mit Verantwortungsbewusstsein, einen richtigen Musterknaben. Wir aus der Clique waren ihr anscheinend nicht gut genug.»
    «Sprich: Sie war naiv, aber nicht dumm.»
    «Es ist ihr nicht besonders gut ergangen. Lang waren die beiden nicht zusammen, lang genug allerdings, um zwei Kinder in die Welt zu setzen, die sie dann allein durchbringen musste, mit Gelegenheitsjobs, schließlich hatte sie sich auf ein Dasein als vorbildliche Ehefrau und Mutter eingestellt, nicht auf eines als Familienernährerin.»
    «Woher weißt du das alles? Ich dachte, du hättest die Nase voll von …»
    «Nieves selbst hat es mir erzählt. Neunzehnhundertvierundachtzig war es aus mit der Clique, sie war klinisch tot. Nieves war die Einzige, die versucht hat, sie am Leben zu erhalten. Sie hat angerufen, wenn man es am wenigsten erwartet hat, und einen über alles auf den neuesten Stand gebracht: Wer sich hat scheiden lassen oder wer einen Pickel am Arsch hat.»
    «Sei nicht so vulgär!»
    «Wenn’s doch stimmt! Sie hat mich tatsächlich mal angerufen, weil sie ein Furunkel hatte, am ‹Popo›, wie sie sich ausgedrückt hat. Ganz üble Sache, die Ärzte haben befürchtet, es könnte ein Tumor sein. Am Ende hat sich das Ding als harmlos rausgestellt.»
    «Die Ärmste, dabei hat sie wahrscheinlich einfach nur Trost gesucht bei den egoistischen Kerlen, die sie selber so oft getröstet hat.»
    «Moment mal! Mich hat sie nie getröstet, und die anderen auch nicht, soweit ich weiß! Zärtlich war sie, das stimmt. Sie hat einem immer über die Wangen gestreichelt und Küsschen gegeben, aber das heißt noch lange nicht, dass …»
    «Lassen wir das Thema. Ich seh schon, was du unter Trösten verstehst. Erzähl mir lieber, was sie wollte. Wir quatschen schon eine halbe Stunde über sie, und du bist immer noch nicht damit rausgerückt, was sie eigentlich gesagt hat.»
    «In Kurzform: Ihre Kinder sind groß und gehen ihre eigenen Wege, also schien ihr der Moment gekommen, alte Freundschaften aufzufrischen. Mit anderen Worten: Sie langweilt sich, ruft friedliche Bürger an, die ihr nichts getan haben, und nervt sie mit bescheuerten Ideen.»
    «Tu nicht so scheinheilig! Wenn ich richtig gehört habe, hast du längst ja gesagt. Viel Überredungskunst musste sie offenbar nicht aufwenden.»
    «Stimmt nicht. Ich hab ihr gesagt, dass ich erst noch mit dir sprechen muss. Wenn wir keine Lust haben, rufe ich sie an und schiebe eine Verabredung vor, die wir unmöglich absagen können. Aber lass dir erst erklären, worum es geht, dann kannst du selber urteilen. Vor fünfundzwanzig Jahren – sprich: als wir zarte zwanzig waren – haben wir einen Ausflug zur Burg Peñahonda gemacht.»
    «Peñahonda? Wo liegt das denn?»
    «Bei El Tiemplo, in der Nähe der Schlucht ‹Los Hoscos›, rund hundertfünfzig Kilometer von hier entfernt. Wir sind immer mit Ibáñez hingefahren, im Lieferwagen, und Rafa hat eine zweite Kiste organisiert. Die beiden waren damals die Einzigen, die Zugriff auf ein Auto hatten. Wir sind nachmittags angekommen, haben in der Herberge übernachtet und sind am nächsten Tag durch die Schlucht gewandert. Die Herberge ist gleich neben der Burg, ein altes Gebäude, das von Jugendgruppen benutzt wurde. Man musste nur den Schlüssel holen und sorgsam mit allem umgehen. Hinterher sah es natürlich trotzdem aus wie Sau. In jener Nacht hatten wir die Schlafsäcke rausgelegt und im Freien geschlafen, auf einem gepflasterten Platz vor der Herberge. Es war Sommer und
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