Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Elysion: Roman (German Edition)

Elysion: Roman (German Edition)

Titel: Elysion: Roman (German Edition)
Autoren: Thomas Elbel
Vom Netzwerk:
irgendwelchen alten religiösen Texten nannte.
    Cooper kümmerte diese Diskussion herzlich wenig. Sie wusste nur, dass sie die Malachim und den Wald inbrünstig hasste und ausschließlich dann betrat, wenn ihre besondere Beschäftigung, also die Jagd auf die Malachim, es unbedingt erforderlich machte. Irgendwann, Jahre vor Erscheinen der Malachim, war der Wald ihre Heimat gewesen. Aber dann war das Unheil in Form einer namenlosen Bande von Plünderern über sie und ihre Familie hereingebrochen. Sie war gerade sieben gewesen und hatte ihre Mutter sterben sehen, und auch ihr Vater war nach allem, woran sie sich erinnern konnte, tot. Das Grün, die Bäume, der Geruch des Waldes hatten sich für sie untrennbar mit diesen Erinnerungen verbunden.
    Ironischerweise waren es gerade die Malachim, die zumindest in den Waldgebieten der Anarchie ein Ende bereitet hatten, in die der Bürgerkrieg das Land gestürzt hatte. Mit ihren außergewöhnlichen Kräften hatten sie sich zum Herrscher über die dort lebenden Menschen aufgeschwungen. Da sich diese nicht freiwillig hatten unterjochen lassen, hatte es zunächst viele Tote gegeben. Aber irgendwann hatten sich die Waldbewohner in ihr Schicksal gefügt und ihren Widerstand aufgegeben. Nun herrschte in den Wäldern Frieden, allerdings um den Preis einer totalen und gnadenlosen Kontrolle durch die Malachim. Wer sich auflehnte oder gegen die von den Malachim aufgestellten Regeln des Zusammenlebens verstieß, starb einen grauenvollen und demütigenden Tod. Die öffentlichen Exekutionen, die die Malachim zur Disziplinierung der Waldmenschen durchführten, waren von alttestamentarischer Grausamkeit.
    Doch all das wusste Cooper nur vom Hörensagen, denn aus irgendeinem Grund hatten die Malachim ihre Herrschaft nie auf die Städte ausgedehnt. Wer sich mit der Herrschaft der Malachim nicht abfinden wollte, war daher aus den Wäldern geflüchtet, jedenfalls sofern die Malachim ihn hatten entkommen lassen. Doch auch die Freiheit, die die Menschen in den Städten genossen, hatte ihren Preis. Denn dort herrschte immer noch jene gewaltgeprägte Anarchie, die der Bürgerkrieg zunächst allerorten hinterlassen hatte. Jeder Versuch, eine feste Struktur oder auch nur einen Hauch von Zivilisation in die Städte zu bringen, scheiterte am Problem der Entvölkerung durch den Bürgerkrieg. Ehemals brodelnde Zentren waren zu dünn besiedelten Beton- und Asphaltwüsten geworden.
    Städter, die nicht von der Gewalt gegen andere leben wollten – und das war aus Coopers Sicht eher die Minderheit –, kamen mit der Zucht von Vieh oder dem Anbau von Pflanzen in den menschenleeren Parks und Straßen oder auf den Dächern der Häuser mehr schlecht als recht über die Runden. Manch einer ging sogar freiwillig in die Wälder zurück, wo die Herrschaft der Malachim den Menschen immerhin bessere Versorgung garantierte, auch wenn die Gemeinschaft dort in eine Art Mittelalter zurückgefallen war, wie man sich in den Städten erzählte.
    Wenn Cooper allerdings sich selber gegenüber ehrlich war, war das Leben in den Städten kaum besser. Ohne funktionierende Verwaltung oder Verbindung zu anderen Städten war die öffentliche Versorgung komplett zusammengebrochen. Kein fließendes Wasser, keine flächendeckende Belieferung mit Brennstoffen, kein Elektrizitätsnetz. Die Häuser waren nichts als Höhlen aus Stein, Beton und Mörtel, in denen ihre Bewohner inmitten verrottender Möbel hausten. Geheizt wurde mit Öfen, in denen man alles verfeuerte, was irgendwie brennbar war.
    Das, was an funktionierender Technik oder lagerfähigen Lebensmitteln noch übrig war, hatten die allgegenwärtigen Gangs an sich gerissen. Manche von ihnen waren eher friedliche Zusammenschlüsse mehrerer Familien oder Nachbarschaften, manche waren kriminelle Banden. Wer nicht das Glück hatte, einer solchen Gruppe anzugehören oder selbst etwas anbaute oder züchtete, versuchte in der Regel, sich mit Tauschgeschäften über Wasser zu halten, sofern sein Lebensraum das hergab.
    Doch die Winter waren hart, und jedes Jahr verhungerten oder erfroren die Menschen zu Hunderten. Besonders Verzweifelte wagten sich zur Jagd in die Wälder, wo die meisten von ihnen dann zum Opfer der Malachim wurden. Großen Zulauf hatten auch die zahlreichen Pseudoreligionen und Endzeitkulte. Hartnäckig hielt sich das Gerücht, dass einige von ihnen Kannibalismus in ihrem Repertoire hatten. Cooper schauderte, wenn sie daran dachte.
    Trotz alledem hätte nichts sie dazu
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher