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Ellorans Traum

Ellorans Traum

Titel: Ellorans Traum
Autoren: Frances G. Hill
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Jungen, deren Anführer mich nicht gerade mit offenen Armen empfing. Der dicke Bernak genoß als Sohn des Burgvogts besonderes Ansehen bei den anderen Jungen, und er fürchtete wohl, daß ich ihm dies streitig machen könnte.
    Ich verspürte allerdings keinerlei Ehrgeiz, mich mit ihm zu messen. Er war einige Jahre älter als ich und viel kräftiger. Seine Fäuste wurden von allen gefürchtet, und ich lernte schnell, einen weiten Bogen um seine berüchtigten Wutausbrüche zu machen. Glücklicherweise verzichtete er darauf, mich zum Einstand erst einmal durchzuprügeln, wie er das mit den anderen getan hatte. »Aber nur weil du das kostbare Söhnchen unseres Burgherrn bist«, hatte er abfällig grinsend gesagt und das Grölen seiner Gefolgschaft genossen.
    Ich war fürs erste geduldet, und nach einigen Wochen, als der Reiz des Neuen für die anderen vorbei war, wurde ich auch nicht mehr anders behandelt als der Sohn eines der Stallknechte, der in meinem Alter war. Karel war ein schmächtiger Knabe, der gelernt hatte, die Hänseleien der Größeren geduldig hinzunehmen, weil sie so am schnellsten den Spaß daran verloren, ihn wegen seiner Zartheit aufzuziehen.
    Ich weiß, daß Ellemir meinen Umgang mit den Kindern des Gesindes nicht gerne sah, aber sie verbot ihn mir auch nicht. Mit wem sonst hätte ich auch spielen können? Allerdings rief sie mich eines heißen Sommertages in ihre Kemenate und sprach sehr ernst mit mir. Ich verstand nicht, warum sie so streng, fast böse erschien, und ich versprach, mich in allem nach dem zu richten, was sie mir gebot – schon, weil sie mir sonst nicht mehr erlaubt hätte, mich mit den anderen Knaben zu treffen.
    Wenn wir nun zum Schwimmen zum Fluß gingen, behielt ich also als einziger meine Wäsche am Leib, weil meine Mutter es mir strengstens befohlen hatte. Ich wurde heftig dafür aufgezogen und schämte mich sehr. Ich bemerkte, wie die älteren Jungen sich um den dicken Bernak scharten und tuschelten, wobei sie hin und wieder verstohlene Blicke zu mir herüberwarfen.
    Einmal schlug Bernak eine Wasserschlacht im Dorfteich vor. Er und sein Stellvertreter Henno, der nicht besonders schlau, dafür aber ungemein stark war, suchten sich ihre Mannschaft zusammen. Wie immer waren Karel und ich die letzten, die gewählt wurden.
    Ich wurde einige Male kräftig untergetaucht und mußte während der Rangelei krampfhaft darauf achten, meine nasse Wäsche nicht zu verlieren, deshalb hatte ich kein besonders großes Vergnügen an dem Spiel. Ich verzog mich unauffällig an den Rand des Geschehens und beobachtete die anderen, wie sie sich unter Geschrei gegenseitig in das schlammig aufgewühlte Wasser des Tümpels tauchten. Zwei Jungen hatten den armen Karel in die Enge getrieben und drückten ihn hohnlachend unter Wasser. Ich war abgelenkt und bemerkte nicht, daß Bernak und einige andere der Großen sich aus dem Getümmel gelöst und an mich herangeschlichen hatten. Ehe ich mich versah, schluckte ich Wasser und Entengrütze und schlug voller Panik um mich. Als ich halbertrunken endlich wieder festen Boden unter den Füßen spürte und mir spuckend und hustend den Schlamm aus den Augen wischte, sah ich Bernak johlen und voller Triumph meine Wäsche schwenken. Die anderen Jungen ließen voneinander ab und umkreisten mich schreiend und lachend. Ich rettete mich ans Land und rannte zu meinen Kleidern, während es hinter mir gellend und höhnisch tönte: »Seht nur! Der hübsche kleine Elloran ist ein T'svera!« – »Ein T'svera!« wiederholten die anderen kreischend und lachend, und noch während ich schluchzend zur Burg hinauflief, klang es schrill hinter mir her: »T'svera ...«
    Meine Mutter sah, wie ich mich ins Gemach schlich, und auch, daß ich geweint hatte. Es dauerte nicht lange, bis sie die ganze Geschichte aus mir herausbekommen hatte. Als ich sie bat, mir zu erklären, was die Worte der Jungen zu bedeuten hätten, preßte sie hart die Lippen zusammen, und ihre grünen Augen blitzten gefährlich auf. Sie fuhr mich böse an, weil ich mich von den Jungen hatte entblößen lassen. Als ich wagte, mich damit zu rechtfertigen, daß die anderen weitaus stärker und noch dazu in der Überzahl gewesen seien und mir keine Wahl gelassen hätten, ohrfeigte sie mich.
    Das war die erste Züchtigung, die ich je von ihr erhalten hatte. Das überraschte mich so sehr, daß ich sogar zu weinen vergaß. Stumm und erschreckt ließ ich mich zur Strafe ins Bett stecken und bekam von meiner Amme zu allem
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