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Elfriede im Salon (German Edition)

Elfriede im Salon (German Edition)

Titel: Elfriede im Salon (German Edition)
Autoren: Henry Milk
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    Zugegeben, mir passte es gar nicht, als Elfriede Anstalten machte, den Salon zu verlassen. Mir fiel die Vielweltentheorie ein und mir wurde bewusst, dass irgendwo die Geschichte des philosophischen Salons geschrieben wurde, in der Elfriede bis zum endgültigen Ende dieses bemerkenswerten Abends am Geschehen teilnahm. Es müssten zwei Geschichten erzählt werden, die mit und die ohne Elfriede. Nun lassen es die physikalischen Gesetze nicht zu, dass ein Erzähler zwischen den Welten wandern kann; jeder Erzähler ist an seine Welt gebunden. Elfriede war gegangen und mit nichts in aller Welt konnte ich mich in eins der Universen versetzen, in der Elfriede geblieben war. Ich wusste, wenn die Vielweltentheorie zutraf, musste die Geschichte auch einen anderen Fortlauf haben können. Ich hätte also einen erfinden können, mit der Sicherheit, wahrhaftig den Verlauf einer nicht allzu fernen Parallelwelt zu beschreiben. Unglücklicherweise bin ich in dieser Welt nicht mit allzu viel Phantasie ausgestattet, um eine Geschichte mit Elfriede zu erfinden. Als Chronist des Abends sah ich mich genötigt, mich auf das Hier und Jetzt zu beschränken und die Niedergeschlagenheit mit den Philosophen zu teilen.   
     
     
                                              - 40 -
     
    Fünf Minuten vergingen, ohne dass sich eine Parallelwelt auftat. Die Philosophen brüteten vor sich hin und bis auf Strawinskys Musik war es recht still im Salon. Lulus Titten versuchten argwöhnisch, die Situation unter ihrer Kontrolle zu bringen, vermochten aber nicht mehr, als die gespannte Atmosphäre zu überwachen. Sie waren die Ersten, die ein verdächtiges Geräusch aus Richtung Wohnungstür wahrnahmen. Es war Elfriede, die zurückgekommen war. Offensichtlich war ihr Verhalten an Unschlüssigkeit nicht zu übertreffen. Nachdem sie den Salon verlassen hatte, hatte sie sich nicht zielstrebig nach Hause bewegt oder in eine nah gelegene Disco, um ihren Frust weg zu tanzen, sondern war von vorneherein unschlüssig einmal um den Block gegangen. Mit jedem Meter, den sie durch die frische Nachtluft zurücklegte, kamen in ihr immer mehr Zweifel auf, die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Sie vermied es zu klingeln, denn nackte Philosophen bewegen sich nur ungern zur Wohnungstür, um sie zu öffnen. Sie fand ihre Philosophen sprachlos vor, aber wer hätte auch etwas anderes erwarten können. Glücklicherweise störte sie niemanden beim Geschlechtsakt. Lulus Titten wurden zornig, bebten innerlich vor Wut, weil die verhasste Konkurrentin zurück war und ihre Herrschaft im Mikrokosmos des Salons bedrohte. Dr. Schwarz zeigte Anzeichen von Freude, Professor Hügel die von Verblüffung, ohne dabei protestieren zu wollen und Robert Unmuth begann, sich wieder Gedanken über Elfriede zu machen. Sollte man sie nicht nach Hause schicken? Einfach um ihr die Last der Entscheidung abzunehmen, denn offensichtlich konnte sie sich nicht entscheiden.
    Ich dachte an Parallelwelten. Mir kam das Verhalten von Elfriede unwahrscheinlich vor. Sie lachte, mit ein paar kleinen Tränen in den Augen und murmelte eine Entschuldigung. Die Unschlüssigkeit Elfriedes war ein Indiz dafür, dass das Multiversum sich in etwa gleich viele Universen aufgespalten hatte, in denen Elfriede geblieben war, bzw. in solche, in denen Elfriede endgültig für diesen Abend gegangen war. Prozentual würde die Möglichkeit der Rückkehr nur gering vertreten sein. Wenn diese Einschätzung stimmte, befand man sich in einer ganz besonderen Welt. Man kann natürlich darüber spekulieren, wie wahrscheinlich grundsätzlich ein solcher Abend im Salon war. Wie verhielt es sich mit dem ersten Erscheinen von Elfriede, ihrem doch eher ungewöhnlichen Verhalten im Laufe des Abends? Wie mit der Zustimmung der Philosophen, Elfriedes Anwesenheit zu dulden? Mochte sein, dass das Ganze wie ein Fantasiegespinst geraten war, zu einer philosophischen Märchenwelt, in der so gut wie nicht philosophiert wurde. Auch derjenige, der mit der Theorie des Multiversums vertraut ist, kann da nur spekulieren.
    Die Niedergeschlagenheit der Philosophen wich einer verstärkten Ratlosigkeit, denn nicht zuletzt war Elfriede eine treibende Kraft an diesem Abend gewesen und nur Elfriedes verhältnismäßig selbstbewusstes Auftreten hatte das Denken der Philosophen in eine Richtung stoßen können, die eine aktive Beteiligung des Hausmädchens am Geschehen zuließ. Die Unschlüssigkeit
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