Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Elfenzorn

Elfenzorn

Titel: Elfenzorn
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
Verstand beharrte nach wie vor darauf, dass das, was sie sah, gar nicht sein konnte … aber was nutzte schon die Stimme der Vernunft gegen das, was sie sah ?
    Die Bilder waren nicht nur beide alt und von schlechter Qualität, sondern sahen auch so aus, als wären sie von jemandem aufgenommen worden, der nicht besonders viel Wert darauf gelegt hatte, beim Fotografieren bemerkt zu werden. Auf dem einen Foto war Esteban zu sehen, wie er das Kind (es war ziemlich pummelig, trug ein albernes pinkfarbenes Kleid und hatte glattes, bis auf die Schultern fallendes hellblondes Haar) auf den Armen trug und sich offenbar vom Versteck des Fotografen entfernte, auf dem anderen spielte das Kind mit einer einfachen Stoffpuppe, und Esteban und ihr vollkommen unmögliches Ebenbild standen ein paar Schritte dahinter und waren in ein offensichtlich sehr ernstes Gespräch vertieft. Die Frau (Pia weigerte sich immer noch, sie in Gedanken mit sich selbst zu vergleichen, obwohl die Ähnlichkeit wirklich frappierend war) hielt etwas in der Hand, das in der schlechten Auflösung des Digitalfotos nicht genau zu erkennen war.
    Und dann begriff sie.
    Der Gedanke war auf seine Art mindestens genauso absurd wie die Vorstellung, dieses unmögliche Bild könnte sie selbst zeigen … und eigentlich tat es das ja auch. Nur nicht die sie , für die sie sich im ersten Moment gehalten hatte.
    Sie starrte wieder die junge Frau an, die ihr auf so unheimliche Weise ähnlich sah, ohne sie zu sein, und dann das pummelige kleine Mädchen, und ein Gefühl von … Empörung machte sich in ihr breit. Diese fette kleine Göre, die aussah, als hätten ihre kurzen Stummelbeinchen alle Mühe, das Gewicht ihres Körperszu tragen, sollte sie sein? Und wer war dann ihr älteres Ebenbild? Ihre Mutter?
    Die rein logische Antwort lautete: ja , aber sie weigerte sich im ersten Moment trotzdem, sie zu akzeptieren. Das Schicksal hatte ihr in den zurückliegenden Monaten eine Menge eingeschenkt, und sie hatte das meiste davon klaglos hingenommen (welche Wahl wäre ihr auch schon geblieben?), aber die Idee, dass sie ein fettes, hässliches Kind gewesen sein sollte, war einfach … gemein. Und ihre Mutter sollte ihr ähneln wie ein eineiiger Zwilling dem anderen? Das war nicht nur absurd, das war …
    Nein, in Wirklichkeit liefen die Dinge einfach nicht so.
    Dazu kam, dass sie einfach wusste , dass die Erklärung nicht so simpel war.
    Sie kam zu dem Schluss, dass sie das Rätsel hier und jetzt wohl kaum lösen würde, legte die beiden Bilder in die Schachtel zurück und griff noch einmal nach dem Ring.
    Erneut fiel ihr sein Gewicht auf, das den Eindruck, er käme aus dem nächstbesten Kaugummiautomaten, endgültig zunichtemachte. Er war grob gearbeitet und so groß, dass er selbst Esteban allerhöchstens gepasst hätte, wenn er ihn sich über den Daumen geschoben hätte, und seine Oberseite zeigte ein abgenutztes Symbol, das entfernte Ähnlichkeit mit einem Drudenfuß hatte und zugleich auch wieder ganz anders aussah, ohne dass sie diesen Unterschied in Worte hätte fassen können. Wenn sie nur lange genug hinsah, dann schienen die Schatten zwischen den fein ziselierten Linien zu unheimlichem eigenem Leben zu erwachen.
    Pia blinzelte. Der seltsame Effekt blieb, schien sich aber irgendwie … verändert zu haben, doch auch diese Veränderung war nicht wirklich mit Blicken zu erfassen und schon gar nicht zu beschreiben. Irgendetwas kratzte an ihrer Seele, und da war ein flüchtiges Gefühl wie von etwas Suchendem, aber ...
    Pia schloss gleichzeitig die Augen und die Hand um den Ring. Das Gefühl verging, und mit einiger Mühe gelang es ihr sogar,das wilde Durcheinander sich überschlagender und immer unsinniger werdender Gedanken hinter ihrer Stirn zu zügeln. Sie war noch immer nicht vollkommen sicher, ob sie all das, woran sie sich zu erinnern glaubte, auch tatsächlich erlebt hatte oder schlichtweg dabei war, den Verstand zu verlieren … aber in diesem speziellen Moment spielte das wahrscheinlich nicht einmal eine Rolle. Ob nun real oder nur eine Ausgeburt ihrer durchgeknallten Fantasie, im Augenblick war sie der Meinung, wieder zurück in der Wirklichkeit zu sein, der Welt der Dinge und des Greifbaren, und das war – so oder so – eine Welt, in der es keinen Platz für Zauberringe gab, oder lebende Schatten oder lautlose Stimmen, die ihr Worte in einer Sprache zuflüsterten, die sie niemals gehört hatte und dennoch verstand.
    Und auch nicht für Bilder, auf denen sie
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher