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Elfenlord

Elfenlord

Titel: Elfenlord
Autoren: H Brennan
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Augenbinde an, Bruder Wächter«, befahl die Kreatur, deren Stimme von der Maske gedämpft wurde.
    »Sofort, Bruder Prämonstrator!«, rief Weiskei aus und nahm Haltung an. Er fischte eine Augenbinde aus den Falten seines Umhangs und zog sie Chalkhill über den Kopf. Brimstone kniete schnell nieder und rollte Chalkhills linkes Hosenbein bis über sein Knie hoch. Chalkhill kicherte.
    Der Mann war vollkommen unmöglich. Aber unanständig reich, das musste Brimstone sich immer wieder vor Augen führen. Und die Bruderschaft hatte noch nie so dringend Geld gebraucht wie in diesen Tagen.
    Jedenfalls, wenn sie wieder in ihrem alten Glanz erstrahlen wollte.

FÜNF
    D as Schlachtfeld sah genauso aus wie an dem Tag, als der Bürgerkrieg zu Ende gegangen war. Überall waren Spuren der Gewalt. Magischer Sprengstoff hatte riesige Krater in die Felsen gerissen. Weideland war vertrocknetund verkohlt. Die wenigen übrig gebliebenen Bäume standen kahl und unfruchtbar da. Überall lagen verstümmelte, blutende Leiber; die meisten bewegungslos, manche in ihrem Schmerz leise wimmernd, einige wenige, denen die Gliedmaßen fehlten, versuchten verzweifelt, auf ihren Stümpfen davonzukriechen.
    Die Illusion war perfekt. Man konnte das Blut riechen und den unverwechselbaren Gestank militärischer Magie. Blue bahnte sich mit ausdruckslosem Gesicht vorsichtig ihren Weg durch das Trümmerfeld. Diese Gedenkstätte existierte auf ihren Befehl hin. Sie war ihre Buße.
    Obwohl sie wusste, dass die Leichen Phantome waren, funktionierte die Illusion auch bei ihr. Ihr Magen krümmte sich vor Mitleid und Schrecken   – dem Schrecken, den sie selbst über alle gebracht hatte. Darüber sprach sie mit niemandem, nicht einmal mit Madame Cardui, aber sie wusste mit absoluter Sicherheit, dass die tapferen Soldaten, die in diesem blutrünstigen Schauspiel verewigt waren, niemals gestorben wären, wenn sie sofort, nachdem sie Kaiserin geworden war, andere Entscheidungen getroffen hätte. Das Elfenreich hätte sich nie in zwei Teile gespalten. Elfen hätten nicht gegen Elfen gekämpft. Blues Schuldgefühl trieb sie hierher zurück. Jeden Monat zwang Blue sich für einen ganzen Tag, hier umherzulaufen, zu schauen und zu riechen und innezuhalten.
    Ihre Leibgarde waren zwei gedrungene Dämonen. Die bösartigen kleinen Viecher hasteten mehrere Meter entfernt von ihr von Fels zu Fels, aber sie wusste aus Erfahrung, dass ihre borstigen Flügel sie innerhalb von Sekunden zu ihr tragen würden, wenn Gefahr drohte. Sie kam hierher nur in Begleitung der Dämonen. Sie behauptete, dass diese Wahl politische Gründe habe: Schließlich war sie inzwischen auch Herrscherin von Hael. Aber die Wahrheit war, dass sie es nicht über sich brachte, vor ihrer regulären Elfengarde ihre Schuld zur Schau zu stellen. Auch Buße hatte ihre Grenzen.
    Eine der Pseudoleichen war ein Offizier, den sie vom Sehen kannte, ein früherer Hauptmann der Palastwache. Er wäre inzwischen Major, wenn die Dinge anders gelaufen wären, vielleicht sogar Oberst. Stattdessen war er tot, sein echter Körper lag begraben auf dem Militärfriedhof der Palastinsel. Eine kleine Tragödie inmitten der großen Tragödie, aber es war diese Erinnerung, die Blue eine Träne entlockte. Sie fragte sich nicht zum ersten Mal, ob es für das Elfenreich besser gewesen wäre, wenn sie dem Beispiel ihres Bruders gefolgt wäre und dem Thron entsagt hätte, als er ihr angetragen wurde.
    Der Gedanke an Pyrgus lenkte ihre Aufmerksamkeit wieder auf das Hier und Jetzt und auf die Krise, die sich womöglich zu einer noch größeren Bedrohung für das Elfenreich auswachsen konnte als der Bürgerkrieg. Gab es noch irgendetwas, das sie tun konnte? Sie ging im Kopf ihre Checkliste durch und kam zu dem Schluss, dass es nichts mehr zu tun gab. Was hätte das sein können? Was konnte überhaupt noch jemand tun? Einige Dinge entzogen sich der Kontrolle, auch der durch eine Kaiserin. Aber zumindest Pyrgus hatte jetzt eine Chance, seit sie darauf bestanden hatte, dass er in der Gegenwelt leben sollte. Ihm gefiel ihre Entscheidung vielleicht nicht, aber er hatte zugeben müssen, dass sie sinnvoll war. Und gnädigerweise vollzog sich die Entwicklung dort nur langsam. Solange das so blieb, gab es noch Hoffnung.
    Sie wünschte, Henry wäre hier bei ihr.
    Auch jetzt noch, lange nach den Ereignissen, errötete sie beim Gedanken daran. Wie dumm sie gewesen war! Zugegeben, sie war damals fast noch ein Kind gewesen, kaum älter als fünfzehn, aber
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