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Elfenblut

Elfenblut

Titel: Elfenblut
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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wollten in Ruhe ein Bier trinken, das ist alles.«
    Wenn Hernandez die Spitze überhaupt zur Kenntnis nahm, ignorierte er sie. »Du bist schon ein paarmal nur so hier gesehen worden, Pia. Und jetzt erzähl mir nicht, dass ihr nur herkommt, weil das Bier hier so gut ist.«
    Pia hob nur die Schultern.
    »Auch gut.« Hernandez klang ein bisschen verärgert. »Ich weiß noch nicht, was genau ihr hier wollt, Schätzchen, aber ich würde es wirklich vorziehen, wenn ich gar nicht erst in die Verlegenheit käme, es herausfinden zu müssen. Ich behalte dich im Auge.«
    Das tat er genau genommen schon die ganze Zeit. Während er sprach, war sein Blick ununterbrochen über ihren Körper gestrichen, hatte sie auf eine Art begutachtet und taxiert, die ihr mit jeder Sekunde unangenehmer wurde. Vielleicht, weil dieser Blick sie daran erinnerte, dass es noch nicht so lange her war, als seine Hände sie auf dieselbe Weise betatscht hatten. Und nicht nur das.
    »Wir haben wirklich nichts Verbotenes im Sinn, Comandante«, sagte sie nur noch einmal. »Außer vielleicht …«
    »Außer vielleicht?« Hernandez’ Augen wurden schmal.
    Pia deutete ein Schulterzucken an und tat so, als müsse sie nach den richtigen Worten suchen. »Hier wird eine Menge gebaut«, sagte sie schließlich. »Viel Arbeit. Vielleicht suchen sie ja noch Leute. Jesus könnte einen Job gebrauchen. Das Leben ist teuer geworden.«
    Hernandez riss die Augen auf und wirkte für einen Moment ehrlich verblüfft. »Jesus?« Sein Blick tastete über die breiten Schultern des Puerto Ricaners und dann ein wenig länger und aufmerksamer über dessen maßgeschneiderten blütenweißen Anzug. Hinter seiner Stirn nahm deutlich sichtbar eine Frage Gestalt an, die er jedoch nicht aussprach.
    »Natürlich nicht so«, sagte Pia. »Wir wollten erst einmal sehen, was so geht.«
    »Sehen, was so geht«, wiederholte Hernandez mit sonderbarer Betonung. Er lächelte nicht. Selbst seine Pferdezähne schienen ein bisschen kleiner geworden zu sein und an Glanz verloren zu haben. »Du solltest wirklich nicht versuchen, mich auf den Arm zu nehmen, Pia. Das ist nicht nett. Ich bin dein Freund, auch wenn du das nicht glaubst. Und mit guten Freunden sollte man es sich besser nicht verscherzen.«
    »Aber ich wollte Sie wirklich nicht …«
    »Ich habe euch gewarnt.« Hernandez stand auf und knallte die Bierflasche unnötig hart auf den Tisch. »Bleibt ruhig noch ein bisschen hier und genießt die schöne Aussicht, aber tut nichts, was ihr bereuen müsstet. Ich behalte euch im Auge.«
    Und damit ging er. Jesus blickte ihm stirnrunzelnd nach, aber auch so finster, wie selbst Pia es selten bei ihm gesehen hatte. Waren die Blicke und die stumme Kommunikation zwischen Hernandez und ihr zu deutlich gewesen? Pia war sich sicher, dass er kurz davor stand, Hernandez zu folgen und etwas zu tun, was er tatsächlich bereuen würde … aber längst nicht so sehr wie der Comandante. Einen Moment lang fragte sie sich, ob er vielleicht wusste, was zwischen ihnen vorgefallen war, verneinte diese Frage aber, als Jesus erneut an seinem Bier nippte und dann stirnrunzelnd und mehr an sich selbst als zu ihr gewandt murmelte: »Was war denn das für ein Auftritt?«
    Sie konnte auch jetzt nur die Schultern heben. Hernandez war immer für Überraschungen gut – meistens für unangenehme –, aber diesen Auftritt verstand auch sie nicht. Wenn der Comandante irgendetwas ganz bestimmt nicht war, dann subtil.
    »Keine Ahnung«, sagte sie. »Wahrscheinlich nichts. Vielleicht wollte er sich nur ein bisschen wichtigmachen.« Sie zwang sich zu einem Lächeln, obwohl ihr ganz und gar nicht danach zumute war. »Du kennst ihn doch. Wahrscheinlich hat ihn seine Frau gestern Abend nicht rangelassen, und jetzt sucht er jemanden, an dem er seine schlechte Laune auslassen kann.«
    Jesus blickte nur noch zweifelnder, und Pia war klar, wie dünn dieser Erklärungsversuch klang. Hernandez war ein Widerling und ein korruptes Schwein, wie es im Buche stand, aber er tat niemals etwas ohne Grund … auch wenn es ihr manchmal schwerfiel, seinen kruden Gedankengängen zu folgen.
    Ahnte – oder wusste! – er vielleicht, warum sie wirklich hier waren?
    Kaum, entschied sie. Und selbst wenn … warum sollte er sie dann warnen?
    »Vielleicht weiß er ja Bescheid«, sinnierte Jesus. Seit wann konnte er eigentlich ihre Gedanken lesen?
    »Dann weiß er mehr als wir«, witzelte Pia. Zumindest was Jesus anging, entsprach das ja sogar der Wahrheit. Nicht
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