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Elben Drachen Schatten

Elben Drachen Schatten

Titel: Elben Drachen Schatten
Autoren: Alfred Bekker
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anschlossen.
    Mehrere der Schiffe sammelten sich in einer Bucht, während die vielen anderen im Meer vor Anker gingen. Beiboote wurden zu Wasser gelassen. König Keandir stand am Heck einer dieser Barkassen und blickte immer wieder zurück zur »Tharnawn«, wo Ruwen an der Reling stand und ihm nachsah. Er wäre gern bei ihr geblieben, aber von einem König der Elben erwartete man, dass er voranging, wenn die Schiffe vor unbekannten Küsten ankerten. Keandir wusste sehr wohl, dass seine Autorität in dem Moment zu bröckeln beginnen würde, wenn er andere vorausschickte. Und wenn es später im Kronrat darum ging, ob es besser war, die Reise fortzusetzen oder sich in diesem unbekannten Land niederzulassen, musste sein Wort Gewicht bei den Ratsmitgliedern haben, wenn er ihre Entscheidung beeinflussen wollte.
    Keandir gehörte mit einer Gruppe von zwanzig getreuen Elbenkriegern – darunter auch Prinz Sandrilas und dem Hornbläser Merandil – zu den Ersten, die an Land gingen. Sie sprangen aus den Booten und zogen sie an den sandigen Strand.
    Eine schroffe Felswand erhob sich nur etwa hundert Schritte vom Wasser entfernt. Und was sich den Elben dort offenbarte, verschlug ihnen schier den Atem.
    Ein offenbar vor Urzeiten in den Fels gehauenes Relief ragte vor ihnen auf. Es zeigte in ungewöhnlicher künstlerischer Perfektion geflügelte affenartige Wesen, die mit Speeren und Dreizacken bewaffnet waren. Sie trugen nichts am Leib als ihr Fell, und ihre Gesichter wurden von mächtigen Hauern dominiert.
    Der fratzenhafte Blick all dieser in den Stein gehauenen Figuren schien direkt auf die Ankömmlinge gerichtet zu sein. An diesem Eindruck änderten auch die unübersehbaren Spuren nichts, die Wind und Wetter über Zeitalter hinweg in dem Relief hinterlassen hatten. Ein Schauder erfasste Keandir beim Anblick dieser Hinterlassenschaften unbekannter Steinmetze.
    »Wir sind offenbar nicht die Ersten, die dieses Land betreten«, stellte Merandil fest, der seinen Helm inzwischen mit Meerwasser vom Willkommensgruß der Möwe gereinigt hatte.
    Der Vogel war ihnen gefolgt und kreiste erneut über ihren Köpfen, was Prinz Sandrilas zu einer spitzen Bemerkung veranlasste. »Ihr scheint eine treue Gefolgschaft gewonnen zu haben, mein lieber Merandil. Oder ist es am Ende nur der prahlerische Glanz Eures Helms, der Euch zu einer besonders attraktiven Zielscheibe macht?«
    Die Möwe stieß plötzlich einen Schrei aus und veränderte die Flugbahn, während gleichzeitig ein Schatten aus einer dunklen Spalte schoss, die in mindestens hundert Mannhöhen im Felsen klaffte. Der Schlag lederiger dunkler Schwingen wurde von einem Fauchen begleitet.
    Wie ein zum Leben erwachtes Ebenbild der steinernen Affen wirkte das wie aus dem Nichts aufgetauchte geflügelte Wesen. Es war größer als ein ausgewachsener Mann und derart schnell, dass die Möwe keine Möglichkeit hatte, ihm zu entkommen. Die mit messerscharfen Krallen bewehrten Pranken packten den Vogel. Ein letzter krächzender Schrei hallte an den Felsen wider, ehe der geflügelte Affe mit seiner Beute ins Dunkel jener Felsspalte zurückkehrte.
    »Eure stillen Verwünschungen, mit denen Ihr den Vogel bedachtet, müssen erhört worden sein, werter Merandil«, sagte Sandrilas spöttisch. »Die Götter scheinen Euch gewogen.«
    »Offenbar ist dieses Land die Heimat ungewöhnlicher Kreaturen«, stellte Merandil düster fest. Ihm schien der Sinn für Humor völlig abhanden gekommen zu sein. Er wandte sich an Keandir. »Wir sollten vorsichtig sein, mein König.«
    Keandir wirkte wie abwesend. Seine feinen Sinne waren hochkonzentriert. Er glaubte aus weiter Ferne Stimmen zu hören. Ein Raunen und Murmeln, doch er konnte keine einzelnen Worte unterscheiden. Dass das Geraune von den primitiven Affenwesen stammte, die offenbar zwischen den Klippen hausten, mochte er nicht glauben. Aber irgendetwas war dort. Jenes Unbehagen, das er bereits an Bord seines Flaggschiffs empfunden hatte, meldete sich wieder, und das stärker denn zuvor. Selbst der Gedanke an Ruwens Schwangerschaft konnte diese dunkle Empfindung diesmal nicht dämpfen.
    »Mein König?«, drang Merandils Stimme ins Bewusstsein des Elbenherrschers, und ein Ruck ging durch Keandirs Körper. Er hatte den Kontakt zu den Stimmen verloren. So sehr er sich auch anstrengte und erneut seine Sinne konzentrierte, das Geraune war verstummt.
    »Sobald alle Schiffe vor Anker gegangen sind, soll der Kronrat einberufen werden«, bestimmte er. »Leitet dies in
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