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Eitle Liebe: Wie narzisstische Beziehungen scheitern oder gelingen können (German Edition)

Eitle Liebe: Wie narzisstische Beziehungen scheitern oder gelingen können (German Edition)

Titel: Eitle Liebe: Wie narzisstische Beziehungen scheitern oder gelingen können (German Edition)
Autoren: Bärbel Wardetzki
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aber mit umgekehrtem Vorzeichen.« 5 Da, wo der Narzisst in seinem Größenselbst verhaftet ist, besetzt der Komplementärnarzisst die Seite der Minderwertigkeit. Der Narzisst lebt den offenen Narzissmus mit Dominanzstreben, Egoismus und Misstrauen. Den Komplementärnarzissten zeichnet dementsprechend ein verdeckter Narzissmus aus mit Gehemmtheit, übermäßiger Empfindlichkeit und hoher Selbstentwertung.
    Der offene Narzisst ist in seinem Beziehungsverhalten viel defensiver und emotional distanzierter und zeigt ein vermeidendes Bindungsmuster. Deshalb wird er auch als der egozentrische in der Beziehung gesehen, wogegen der Komplementärnarzisst altruistisch und aufopfernd erscheint. Er ist zwar der Anlehnungsbedürftige, meidet jedoch häufig eine zu enge Bindung aus Angst vor Zurückweisung.
    Der Grund für diese »Rollenaufteilung« liegt in der innerpsychischen Struktur der narzisstischen Menschen, deren Erleben aufgespalten ist: zum einen in die Größe und Überlegenheit und zum anderen in Gefühle von Nichtigkeit, Kleinheit und Wertlosigkeit bis hin zur Nichtexistenz. Ich habe an anderer Stelle 6 dieses Thema mithilfe des narzisstischen Spaltungsmodells ausführlich beschrieben. Beide Seiten, die Grandiosität und die Minderwertigkeitsgefühle, bilden zusammen das sogenannte falsche Selbst und sind Ausdruck des fragilen Selbsterlebens. Sie entsprechen aber nicht dem Wesen der Person, denn diese ist nicht so unbedeutend, wie sie in ihrem Minderwertigkeitsgefühl befürchtet, aber auch nicht so grandios, wie sie gerne sein möchte. Zu ihrem wahren Selbst hat sie kaum Zugang, weil dieser Teil im Lauf der Zeit immer mehr abgespalten wurde. Im Erleben des wahren Selbst liegt jedoch der Zugang zu unserer Identität, unserer Selbstachtung, unserem Selbstvertrauen sowie zu unseren echten Gefühlen und Bedürfnissen. Ist dieser verbaut, entsteht die typische Selbstentfremdung, die durch grandiose Kompensationsversuche wie Leistung, Schönheit, Statussymbole, Perfektion und dergleichen ausgeglichen werden soll.
    In Beziehungen suchen sich Menschen gewöhnlich ihren Gegenpart. Bei narzisstischen Partnern sucht der offene den verdeckten, der grandiose den inferioren oder der männliche den weiblichen. Der Wunsch, der dahinter steht, ist, mithilfe des anderen die eigene Entwicklung in Gang zu bringen und Defizite, Verletzungen und Zurückweisungen aus der Vergangenheit zu heilen.
    Zur Störung wird das komplementäre Verhalten, »wenn es nicht mehr frei gewählt werden kann, sondern zum Zwang wird« 7 und die Entwicklung beider verhindert. Das geschieht, wenn die unbewusste Verstrickung der Partner nicht erkannt wird und das komplementäre Muster sich verfestigt.
    Auf diese Weise lagern beide Partner einen Teil von sich aus und lassen ihn gewissermaßen durch den anderen leben. So muss der grandiose Narzisst nicht seine Minderwertigkeitsgefühle spüren, wenn er eine Frau nimmt, die diesen Pol besetzt. Er kann dann der starke Mann sein und seine Frau lebt die Schwäche. Der Vorteil für die Frau liegt auf der Hand. Sie kann ihm die Verantwortung zuschieben, muss keine Entscheidungen treffen und sich nicht anstrengen. Sehr häufig finden wir diese Konstellation bei Frauen mit Ess-Störungen.
    Dieses Konzept kann auf Dauer nicht funktionieren. Denn welche Qual für den Mann, wenn er sich nie erlauben darf, schwach zu sein, und welcher Verlust für die Frau, wenn sie ihre Stärken nicht spüren und leben kann.
    Dennoch hat auch sie einen Gewinn, denn sie kann ihre schambesetzten Grandiositätsansprüche auf den Mann projizieren und sich auf diese Weise vor Egoismus und Selbstdarstellung schützen. Deshalb wirken häufig die Partnerinnen von grandiosen Narzissten bescheiden und teilweise unterwürfig. Doch der Schein trügt, denn ihre Grandiosität zeigt sich nur anders. Indem sie ihren Mann auf der Karriereleiter hinaufpuschen, wachsen auch sie an Bedeutung und Wichtigkeit. Ihre Selbstaufgabe ist bei genauerem Hinsehen nicht so altruistisch, wie sie nach außen wirkt. Denn damit üben sie eine hohe Kontrolle über den anderen aus, da keine Andersartigkeit geduldet wird. So eine Beziehung kann erstickend eng werden und zu Befreiungsschlägen führen, indem der Mann seine Freiheit außerhalb sucht, beispielsweise bei einer Geliebten, in zeitintensiven Sportarten oder Hobbys, die ihn völlig absorbieren.
    Darunter litt auch Sonja, deren erste Ehejahre märchenhaft waren. Beide waren verliebt, unzertrennlich, und man sah sie nur
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