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Eiszart

Eiszart

Titel: Eiszart
Autoren: Kerstin Dirks
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zugleich aber mehr als alles andere ersehnte. Ihr Körper reagierte auf die Reize mit Symptomen, die neu, aber eindeutig waren.
    Zu allem Unglück antwortete der Kutscher abermals nicht auf ihr Flehen. Vladimir schien sie diesmal tatsächlich nicht zu hören. Kein Wunder, denn das Stöhnen ihrer Mitfahrerin übertönte alles. Doch auch das Pärchen störte sich nicht weiter an ihrem Protest. Für sie schien es, als wäre sie gar nicht da.
    Veruschka setzte sich wieder hin, in dem verzweifelten Versuch, ihre Gedanken zu ordnen, einen kühlen Kopf zu bewahren. Aber das war nicht möglich. Der Körper der Frau zuckte und bebte, bäumte sich auf, als föchte sie einen Kampf um Leben und Tod aus. Der Anblick war sinnlich und verstörend zugleich. Veruschka konnte nicht anders, als ganz genau hinzusehen.
    Sämtliche ihrer Muskeln verkrampften sich, und für einen Moment schien die Frau gänzlich zu erstarren, ehe sie sich mit einem Seufzen komplett entspannte. So blieb sie liegen. Ihr Partner wischte sich den Mund mit einem Schnupftuch ab und lachte, klopfte ihr auf den Oberschenkel, wie man sonst einem Gaul den Hals tätschelte. Anschließend bedeckte er ihre Beine wieder mit den Röcken und sah entschuldigend zu Veruschka.
    »Verzeih uns. Du musst verstehen, meine Gattin und ich haben uns lange nicht mehr gesehen.«
    Diese Frau war seine Gemahlin? Ob das stimmte? Ach, es ging sie im Grunde genommen auch gar nichts an. Veruschka hielt die Arme weiter vor ihrer Brust verschränkt und den Blick gesenkt. Derartige Dinge gehörten in die Verschwiegenheit einer Kammer, und sollten auch dort bleiben. Aber, und das musste sie sich leider eingestehen, aufregend war es doch gewesen, den beiden zuzusehen. Sie hatte kaum den Blick von ihnen lassen können, und selbst jetzt spürte sie noch ein fernes Prickeln in ihrem Innern. Ein süßes Rufen. Eine Sehnsucht, die sie bis dato nicht gekannt hatte, die heute zum ersten Mal geweckt worden war. Durch dieses Pärchen. Sie schüttelte benommen den Kopf. Was war nur los mit ihr? Das war doch nicht sie!
    Die Kutsche hielt an. Endlich! Ob noch jemand einsteigen wollte? Sie hoffte nicht, denn es war schon jetzt viel zu eng im Wagen.
    »Alles aussteigen!«, rief der Kutscher.
    »Wir sind da!«, freute sich die Dame und stieß aufgeregt die Tür auf. Der Kutscher hielt ihr die Hand entgegen, half ihr beim Aussteigen und danach auch Veruschka. Die blickte sich erstaunt um. Ein prächtiger, mit bunten Lichtern erhellter Schneegarten erstreckte sich vor ihr. Umrankt von einem gusseisernen Zaun, geschmückt mit kunstvoll gestutzten Hecken, in deren Nadelwerk Schneeflocken steckten, und steinernen Statuen, die majestätisch über ihnen aufragten. Das Prunkvollste war jedoch das Schloss des Grafen Zima selbst, dessen höchste Türme bis in den Himmel hineinragten. Veruschka hatte nicht geahnt, dass jemand so weit draußen in der Taiga lebte. Das Mauerwerk glänzte, als wäre es aus Eis, schillerte in den hellsten Farben.

Der Kutscher winkte zu den Zinnen hoch, und kurz darauf öffnete sich das Flügeltor. Eine kleine Delegation empfing das edle Paar. Sicherlich handelte es sich um Adlige. Solche Gewänder konnten sich keine einfachen Leute leisten.
    »Geh nur, Veruschka«, sagte Vladimir freundlich und gab ihr einen Stoß. »Du bist doch auch eingeladen?«
    Das war sie! Aber sie hatte ihre Einladung vergessen. Außerdem hatte sie gar nicht zum Ball erscheinen wollen, denn Graf Zima war ihr nach wie vor nicht geheuer. Und auch dieses prächtige Anwesen änderte nichts daran. Augenscheinlich arbeitete der Kutscher für den Grafen, hatte sie in seinem Auftrag hergebracht und ihr Flehen nach Umkehr ganz bewusst ignoriert. Wäre es nicht Winter gewesen, sie wäre auf der Stelle umgekehrt und den weiten Weg nach Hause gelaufen. So aber blieb Veruschka keine andere Wahl, als das Schloss zu betreten.
    Eine ältere, dickliche Dame, die ein mächtiges Doppelkinn ihr Eigen nannte, kam auf sie zu, griff sie am Arm und zog sie mit sich.
    »Wer seid Ihr?«, fragte Veruschka empört. Sie wäre lieber in der Nähe des Paares geblieben.
    »So wollt Ihr doch nicht vor den Grafen treten, oder?«
    Veruschka blickte an sich herunter. Im Vergleich zu ihren beiden Mitreisenden trug sie lediglich Lumpen. »Ich habe den Auftrag, Euch herzurichten«, erklärte die resolute Dame.
    »Mich herzurichten?«
    »Aber ja. Ich habe Euch ein schönes Gewand ausgesucht. Es wird Euch gefallen«, versicherte sie.
    »Woher wusstet Ihr
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