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Eisnattern: Ein Hamburg-Krimi (German Edition)

Eisnattern: Ein Hamburg-Krimi (German Edition)

Titel: Eisnattern: Ein Hamburg-Krimi (German Edition)
Autoren: Simone Buchholz
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Carla.
    »Überraschung«, sagt der Faller und nimmt seinen Hut ab. Sein Gesicht ist vom Hamburger Wetter und dem jahrelangen Einsatz auf Sankt Pauli in Falten gelegt, aber das sind Falten der guten Art. Es sind keine traurigen, verbitterten Falten. Sie ziehen sich einfach in fröhlichen Furchen kreuz und quer durch seine Haut. Nur zwischen Nase und Mund, da sind ein paar, die weh getan haben, das weiß ich.
    »Sind Sie wegen mir hier?«, frage ich. »Oder wegen ihr?« Ich zeige auf Carla.
    »Er ist wegen des sensationellen Kaffees hier«, sagt Carla.
    Blödsinn. Der Faller trinkt bröckeligen Filterkaffee. Für den zählt nur das Koffein, der Rest ist ihm egal.
    »Ich war gestern schon bei Carla«, sagt er und kuckt wichtig. »Beruflich.«
    »Gibt’s hier was zu schnüffeln?«, frage ich. »Für alternde Privatdetektive?«
    »Gott bewahre!« Carla hebt die Hände.
    »Ich bin jetzt so ’ne Art Bünabe«, sagt der Faller.
    »Ein was?« Carla legt die Stirn in Falten.
    »Das ist ein bürgernaher Beamter«, sage ich. »Faller, haben Sie heimlich wieder bei der Polizei angeheuert?«
    Der Herr Ex-Kommissar setzt sich auf einen Barhocker, verschränkt die Arme vor der Brust und lächelt sehr zufrieden. Sein altersgerechter Bauch zittert ganz leicht. Das ist immer so, wenn er sich freut. Ein inneres Kichern.
    »Wie jetzt? Sagen Sie schon: Sind Sie wieder ein Bulle? Und wenn ja, warum weiß ich davon nichts?«
    »Ich arbeite weiterhin auf Honorarbasis«, sagt er, und dann klingt er richtig stolz: »Aber die Kollegen haben mich als Berater engagiert. Für die Gastronomie rund um den Kiez.«
    Carla stellt ihm einen Caffè Americano hin.
    »Wow. Hört sich für mich nach einem goldenen Job an«, sage ich. »Wie funktioniert das genau?«
    »Ich lungere so viel wie möglich in Kneipen und Cafés rum«, sagt der Faller und grinst. Der Bauch zittert jetzt richtig. Der Faller weiß, dass ich ihn beneide und sofort mitmachen würde. Vielleicht mach ich das ja auch. Hab schließlich Urlaub. Und mit dem besten Kommissar aller Zeiten an meiner Seite ist die Gefahr sehr gering, dass ich mich aus Versehen tagsüber volllaufen lasse. Der Faller passt immer gut auf mich auf.
    »Ich klappere regelmäßig die Gastronomen auf Sankt Pauli und im weiteren Einzugsgebiet ab und gewinne ihr Vertrauen«, sagt der Faller. »Und dann kommen die Gastronomen zu mir, wenn es Probleme gibt. Probleme mit Schutzgeld zum Beispiel. Oder andere komplizierte Angelegenheiten, mit denen man nicht so einfach zur Polizei geht.«
    Schlaue Hunde, die Kollegen von der Kripo.
    »Seit wann machen Sie das?«, frage ich.
    »Offiziell fange ich erst am 2. Januar damit an«, sagt der Faller. »Aber ich nehm das nicht so genau.«
    Er ruckelt sich am Tresen zurecht, lächelt erst Carla an und dann mich, hebt seine Kaffeetasse und sagt:
    »Prost, die Damen.«
    Ts.
    *
    Der Tag hat ja eher schlecht angefangen, dann aber eine beachtliche Drehung hingelegt. Und zack, bin ich nicht mehr alleine spazieren gegangen, sondern mit dem Faller. Wir sind vom Hafen aus durch ganz Sankt Pauli marschiert. So wie wir es früher oft gemacht haben, vor langer Zeit, als der Faller noch der risikofreudige Kripomann war, der mich überall mit hingezerrt hat. Bevor er sich für viele Jahre vom Kiez zurückgezogen hatte. Jetzt ist er wieder da, und das ist wundervoll. Ich hätte ihn gerne noch mit in die Blaue Nacht genommen, aber er hat gekniffen.
    »Ich bin über sechzig, Chastity«, hat er gesagt. »Mir klemmt die Kälte in den Knochen. Meine Beraterschicht in der Blauen Nacht verschiebe ich auf morgen. Alte Männer müssen mindestens einmal am Tag vorm Ofen sitzen, wissen Sie das nicht?«
    »Sie sind nicht alt«, habe ich gesagt, und er hat mich mit einem schweren Blick angekuckt und gesagt: »Oh doch, mein Mädchen, oh doch. Aber das ist nicht so schlimm.«
    *
    »Hey, Baby«, sagt Klatsche, als ich die Tür zur Blauen Nacht aufmache. Er weiß, dass er mich so nicht nennen darf. Ich sehe heute mal großzügig drüber hinweg und belle ihn nicht an. Liegt vielleicht daran, dass ich so viel Auslauf hatte. Außerdem schert Klatsche sich ja sowieso nicht darum, was er darf und was er nicht darf.
    Er balanciert auf einem wackeligen Barhocker und wischt mit einem Geschirrhandtuch den Staub von den Schnapsflaschen. Er ist in seiner kurzen Zeit als Barchef ein echter Profi geworden. Er weiß, dass es auf genau solche Kleinigkeiten wie staubfreie Flaschen ankommt.
    »Der frühe Gast fängt den
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