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Eiskalte Verfuehrung

Eiskalte Verfuehrung

Titel: Eiskalte Verfuehrung
Autoren: Linda Howard
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sind.«
    Lollys Gedanken rasten. Sie hatte keine alten Schulfreunde, bei denen sie während des Unwetters hätte bleiben können; hauptsächlich wohl, weil sie sich nie wirklich mit jemandem angefreundet hatte. Ihre Schulzeit war nicht schön gewesen. Jetzt schloss sie viel leichter Freundschaften, aber diese Leute waren alle daheim in Portland. Ihr gefiel der Gedanke nicht, sich bei Mr. und Mrs. Richard einzuquartieren – sie mochte die beiden, stand ihnen aber nicht nahe. Da ja nun ein Eissturm bevorstand, galt es jedoch, schnell eine Entscheidung zu treffen.
    »Danke. Ich nehme Ihr Angebot gern an, zumindest für heute Abend«, sagte sie schließlich und griff nach ihrer Tasche im Einkaufswagen. Dann würde sie ja nun keine Lebensmittel mehr brauchen. »Ich muss nach Hause fahren und ein paar Sachen holen. Wie viel Zeit habe ich?«
    »Das Wetteramt sagte, es würde so etwa bei Dunkelheit losgehen. Trödeln Sie nicht herum.«
    Lolly schaute auf die Uhr. Es blieben ihr noch ein paar Stunden, aber der Eissturm konnte da draußen auch früher einsetzen, da ihr Haus ja weiter oben lag. »Ich komme wieder, so schnell ich kann«, erklärte sie. »Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie sehr ich Ihr Angebot zu schätzen weiß.«
    Mrs. Richard machte mit der Hand eine anfeuernde Geste. »Also los, schnell!«
    Und Lolly legte sich wirklich ins Zeug, wenngleich sie sich noch die Zeit nahm, den Einkaufswagen wieder an den kleinen Sammelplatz zu stellen; sie schob ihn an der Frau vorbei, die eine übergroße grüne Jacke trug und eine schmutzige rote Einkaufstasche aus Segeltuch in der Hand hielt, als wäre dies ihr Beitrag zur Weihnachtszeit. Ein Gefühl von Dringlichkeit ließ sie fast zu ihrem Auto rennen; einen Eissturm konnte man nicht einfach so abtun. Schnee hatte kaum Bedeutung, jedenfalls nicht für jemanden, der in Maine geboren war. Aber Eis war unglaublich zerstörerisch. Sie hätte tagelang, ja wochenlang festsitzen können, wenn sie nicht zufällig in dem Gemischtwarenladen vorbeigeschaut und mit Mrs. Richard geredet hätte.
    So viel zu meinen Plänen, dachte sie mit Bedauern, als sie aus der Parklücke fuhr, ein drohender Eissturm ändert eben alles. Sie musste ihre restlichen persönlichen Sachen zusammenpacken. Aber das Haus war in den vergangenen Jahren so selten benutzt worden, dass sowieso nur noch ein Minimum an Möbeln, Hausrat und Krimskrams vorhanden war. Am Nachmittag hatte sie überlegt, sich am Abend eine Suppe aufzuwärmen, den Kamin mit dem Gasfeuer anzuzünden und zu lesen und das Packen am nächsten Morgen zu erledigen. Sie genoss die Ruhe und Stille, irgendwie hatte es etwas, eine verschneite Nacht in einem warmen Haus zu verbringen – so richtig kuschelig.
    Sie war diese Woche gekommen, weil sie sich ein paar schöne Tage in dem Haus ihrer Kindheit machen wollte; sie wollte in warmen, verschwommenen Erinnerungen schwelgen und sich auf diese Weise von dem Haus und von Wilson Creek verabschieden. Da ihre Eltern in Florida lebten und ihr Job in Portland sie auf Trab hielt, bestand keine Notwendigkeit mehr, ein Ferienhaus zu unterhalten – es wurde zu selten benutzt.
    Das Haus der Heltons war früher einmal das schönste im ganzen County gewesen – ein großes und für diese Gegend extravagantes Gebäude mit einem Obergeschoss in den Bergen vor den Toren der Stadt. Viele Jahre lang hatten alle wichtigen politischen Zusammenkünfte und Partys hier stattgefunden, was Lolly für eine Ironie des Schicksals hielt, denn sie war das einzige Familienmitglied, das in Maine noch übrig war, und hatte kein Interesse an Politik und schon gar nicht an irgendwelchen Partys. Ihre jugendliche Schüchternheit hatte sie mittlerweile größtenteils überwunden, aber kontaktfreudig würde sie wohl nie werden. Sie zog einen Abend zu Hause einer durchfeierten Nacht in der Stadt wirklich vor.
    Lolly freute sich also nicht darauf, bei den Richards unterkommen zu müssen, mal wieder wäre sie lieber allein für sich geblieben, aber sie musste sich ihrem Schicksal beugen. Sie arbeitete für eine Versicherung und hatte – aus schierer Notwendigkeit – gelernt, mit Menschen auszukommen. Als Kind, und noch schlimmer als Teenager, hatte sie immer gezögert und nie recht gewusst, was sie sagen sollte, aber in der Regel wollte keiner mit ihr reden. Sie hatte diese schmerzliche Unsicherheit hinter einer Mauer aus Feindseligkeit verborgen, und somit war es kein Wunder, dass sie in der Gegend keine richtigen Freunde hatte.
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