Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Einige werden überleben

Einige werden überleben

Titel: Einige werden überleben
Autoren: Algis Budrys
Vom Netzwerk:
ganz zu sich gekommen.
    Das einzige, woran er sich noch erinnerte, war, daß sein Vater ihm während dieser ganzen Tage immer wieder gesagt hatte: „Wenn du überlebst, dann vergiß nicht, nur bewaffnet auf die Straße zu gehen.“ Er war sich jetzt sicher, daß sein Vater, wahrscheinlich selbst im Delirium, das immer wieder wiederholt hatte. Er hatte sich an seinem Arm festgehalten und Worte verschluckt, wie ein Mann, dessen Vernunft eine Botschaft erzwingen will, obwohl er die Kontrolle über sein Bewußtsein fast vollständig verloren hat.
    Als er dann endlich erwacht war und gewußt hatte, daß er überleben würde, hatte er die Browning auf dem Boden neben seiner Liege gefunden. Daneben lag eine Schachtel Patronen, die noch stark nach verbranntem Holz roch, und eine Flasche Reinigungsflüssigkeit. Auch der alte Jagdrucksack seines Vaters lag dort. Er war mit Proviant in Büchsen, wasserdichten Streichhölzern, einer Taschenlampe, einem Jagdmesser und einem Kompaß gepackt, fast so, als wollten er und Matthew zusammen auf die Jagd im Nordforst gehen, wie sie es in den letzten vier Jahren in jeder Jagdzeit für Rehe getan hatten. Diesmal aber würde Matthew den Rucksack und die Ausrüstung seines Vaters tragen und die große Browning statt des Kleinkalibergewehrs mitnehmen.
    Er hatte das Urteil seines Vaters nicht angezweifelt. Er hatte sich den Rucksack umgeschnallt, das Schrotgewehr an sich genommen und das Apartment hinter sich gelassen. Er hätte sowieso nicht bleiben können, hatte aber sein Bestes getan, seine Familie wenigstens einigermaßen würdig aufgebahrt zurückzulassen.
    Er hatte zuerst nicht gewußt, was er tun sollte. Wenn er aus dem Fenster sah, konnte er auf der Straße keine Bewegung entdecken. Ein Schleier von grauem Dunst hing über Manhatten, teils Nebel, teils Rauch, wo etwas brannte und nicht gelöscht worden war. Er hatte das große Fernglas aus dem Schrank seines Vaters geholt und sich die beiden Flüsse genau angesehen. An ihrer Oberfläche trieb so gut wie nichts mehr. Daraus schloß er, daß die große Woge des Todes verebbt war. Wer jetzt noch lebte, würde überleben. Wahrscheinlich war er einer der letzten gewesen, der krank geworden war.
    Die Straßen und Hafenanlagen waren ein Chaos aus verlassenen und zerstörten Gerätschaften. Autos, Lastwagen, Boote und Kähne lagen noch so herum, wie er sie das letzte Mal gesehen hatte, als ihm klar geworden war, daß jetzt auch er Fieber bekam und sein Mund trocken wurde. Zu dieser Zeit hatte die Regierung ihre ständigen Bemühungen aufgegeben, die Straßen zu räumen und die Bevölkerung dazu zu bewegen, zu Hause zu bleiben.
    Hier und da waren manche von den großen Straßen passierbar gemacht worden. Die Autos und Busse, die abgeschleppt worden waren, lagen noch dort auf den Bürgersteigen, wo man sie abgestellt oder herabfallen lassen hatte. Er konnte einen Kranwagen erkennen. Es war ein Abschleppfahrzeug der städtischen Verkehrsgesellschaft. Ein leuchtend blauer MG-Sportwagen hing noch immer an seinem Abschlepphaken. Nachdem er krank geworden war, hatte offensichtlich niemand mehr Gelegenheit gehabt, die geräumten Straßen neu zu verstopfen.
    Er versuchte das Radio anzuschalten. Er hatte zwar viele Katastrophenromane gelesen und wußte, daß es nutzlos war, und eine Zeitlang war er unentschlossen gewesen, aber zum Schluß hatte doch seine menschliche Veranlagung den Sieg davongetragen. Es war nutzlos gewesen. Er hatte nach dem Brummen gelauscht, das er mit dem Begriff „Leitfrequenz“ verband, und auch das war fort. Als er zu den Fußleisten herabsah bemerkte er, daß jemand – wahrscheinlich sein Vater – das Kabel so brutal aus der Wand gerissen hatte, daß die blanken Kabelenden auf dem Boden schleiften und nur noch der leere Stecker in der Dose steckte.
    Er hatte es aber nicht repariert. Der stumme Fernsehapparat reichte. Die letzte Regierungsmitteilung war zum Schluß recht deutlich geworden, wie er sich erinnerte. Die näselnde, gemessene Stimme des Präsidenten hatte sich von Satz zu Satz gequält und ruhig erklärt, daß sicherlich einige überleben würden, daß keine Krankheit, wie tödlich sie auch sein mochte, überall das Ende für alle Menschen bedeuten könne, daß aber die Überlebenden nicht damit rechnen könnten, die menschliche Zivilisation würde ebenfalls überleben. Wörtlich hatte der Präsident gesagt: „Mein einziges Versprechen an jene, die überleben werden, um die Welt wieder aufzubauen, lautet: Mit
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher