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Einige werden überleben

Einige werden überleben

Titel: Einige werden überleben
Autoren: Algis Budrys
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irgendeiner Art und Weise, Männer wie Joe Custis, aber ohne seine Hilfsmittel, zur Hälfte Banditen, doch ohne Organisation und auch kaum fähig, sich zu organisieren. Sie suchten allein ihre Beute, isolierter als jedes andere Wesen, das die Ebene durchstreifte, denn die Banditen hatten wenigstens ihre Organisation und die kleinen Städte die Sicherheit ihrer Inzucht.
    Und die Großstädte … Woanders sah es nicht so aus. Die Berendtsen-Legende zum Beispiel erzählte von dem dicht besiedelten Osten. Hier konnte eine Armee von einer Großstadt zur anderen marschieren und alle unter ein gemeinsames Gesetz stellen. Außerdem gab es noch ein beharrliches Gerücht von dem hohen Lebensstandard der südlichen Agrargebiete.
    Im Osten jedoch konnten die Großstädte ihren Arm ausstrecken und die Farmgebiete beherrschen. Sie konnten ihre Bürger ausschicken und sie Nahrungspflanzen anbauen lassen, oder sie konnten Werkzeug und Maschinen mit den Bauern tauschen. Sie konnten so allmählich wieder eine Gesellschaft zusammenschweißen.
    Hier draußen war das nicht möglich. Zumindest hatte es keiner geschafft, weder nach Berendtsens Art noch nach der des mittleren Südens, welche das auch immer sein mochte. Die erste Flüchtlingswelle, die nach der Seuche aus Chicago kam, hatte eine Form eingeführt, an der sich seitdem nichts geändert hatte. Die überlebenden Bauern hatten es schnell gelernt, erst zu schießen und dann zu fragen, weil Treibstoff schwer zu bekommen war und es keine Ersatzteile für ihre Maschinen und keine Arbeiter für Aussaat und Ernte gab. Die Alternative dazu war es, ausgeraubt zu werden und dann zu verhungern. Die Landwirtschaft war wieder an einem Punkt angelangt, wo ein Mann und seine Familie gerade soviel anbauen konnten, um einen Mann und seine Familie zu ernähren.
    Manche von den Flüchtlingen aus den Großstädten hatten sich in Banden organisiert, die sich so eben noch durchschlugen. Sie töteten und plünderten, und sie raubten Frauen; kein Mann will ohne Söhne sterben.
    Die meisten der überlebenden Stadtflüchtlinge gingen in die Städte zurück. Es gab dort zehnmal soviel Platz, wie sie brauchten. Aber selbst in allen Lagerhäusern der Stadt zusammen gab es nicht zehnmal soviel Nahrung.
    Die Städte schlugen sich mühsam durch. Kurzlebige Regierungen unterwarfen hier und dort ein Stück Ackerland. Mit den verschiedensten Maßnahmen wurden unterschiedliche Arten von Lebensmittelrationierungen eingeführt und der Proteinnachschub auf immer wieder andere Art geregelt. In Chicago wurden unter anderem Ratten gezüchtet.
    Auf die eine oder andere Art schlug sich Chicago durch. Aber man träumte von Legenden.
    Custis starrte zu den Bergen hinüber. Er fragte sich, ob er jemals wieder hierherkommen würde. Er überlegte, wie viele Männer vor ihm sich auf den Weg zu Berendtsen gemacht hatten.
    Sieben Republiken in Chicago. In den Bergen Banditen, die die Ebenen plünderten und die überlebenden Bauern in einen ständigen Belagerungszustand zwangen.
    Es wurde Nacht. In manchen Teilen der Welt stand die Sonne hoch am Himmel, oder die ersten Vorboten des Morgens griffen nach dem Sternenteppich. Aber hier wurde es Nacht, und Joe Custis musterte die Grenzen seiner Welt.

 
Erstes Kapitel
     
    1
     
    Matthew Garvin war ein junger, grobknochiger Mann, der noch nicht zu seiner ganzen Größe ausgewachsen war. Das automatische Schrotgewehr lag nicht ganz sicher in seiner Hand. Seit zwei Tagen aber hatte er sich seinen Weg durch die Innenstadt von New York gesucht, war dem Abfall und anderen Hindernissen ausgewichen, die die Seuche auf den Straßen zurückgelassen hatte, und das Schrotgewehr gab ihm ein weit sichereres Gefühl. Trotz all dem erwartete er immer noch halb und halb, daß ein New Yorker Polizist hinter einem der verlassenen Autos hervorkommen würde, die kreuz und quer herumstanden, oder aus einem der verbarrikadierten Hauseingänge treten würde, um ihn wegen Verstoßes gegen das Sullivan-Gesetz zu verhaften.
    Sein Bild vom Zustand der Welt war äußerst lückenhaft. Das meiste hatte er sich aus Fragmenten von Nachrichtensendungen zusammengereimt, die immer sporadischer vom Fernsehen ausgestrahlt wurden. Er hatte sie im Delirium gehört, als er auf einer Liege neben dem Zimmer lag, in dem sein sterbender Vater für die anderen Familienmitglieder die Totenwache hielt. Erst lange nachdem sein Vater gestorben und der Fernseher, obwohl noch immer angeschaltet, endgültig verstummt war, war er wieder
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