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Einfach hin und weg

Einfach hin und weg

Titel: Einfach hin und weg
Autoren: Gerhard Jansen
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wirklich schlafen. Aber auch das passiert schon einmal, wenn die Gedanken ebenfalls auf Wanderschaft sind.
    Die Störche klappern zum Abschied, tausende von Schwalben fliegen umher. Die Sonne geht gerade auf, und ich wandere über die Brücke zum Städele hinaus - dem goldenen Feuerball entgegen.
    Einige Kilometer geht's steil bergauf, es ist schon richtig heiß und mühsam. Die Landschaft entschädigt für alles. So viele Mohnblumen wie hier habe ich noch niemals gesehen. Die Felder und Wegränder sind voll. Die Farbe, ein ganz intensives, dunkelrotes Rot, leuchtet, dass die Augen fast schmerzen.
    Auf dem Weg treffe ich zum ersten Mal Bernard, 67 Jahre alt, Franzose, Zahnarzt. Hatte im Frühjahr seine Praxis verkauft, ist jetzt in Rente und erfüllt sich seinen Traum auf dem Camino.
    Sarah, die kleine Italienerin, hat starke Schmerzen im Knie und fährt heute mit dem Bus. Überhaupt lichten sich ein wenig die Reihen. Viele haben Probleme mit Füßen, Beinen, Gelenken oder Rücken. Bis jetzt bin ich verschont geblieben.
    Ich treffe Sara wieder, die Australierin. Kurz vor Estella steht eine alte Kirche versteckt mitten in Olivenhainen, 200 m abseits des Weges. Wir gehen hinein und ruhen uns in der Stille und Kühle aus. An den Wänden entlang gemauerte Steinbänke, sonst vollkommen leer. Eigenartige, intensive Atmosphäre der vollkommenen Ruhe. Wir machen die Augen zu und genießen.
    Vor der Kirche ein Picknickplatz mit Betonbänken und großen Steintischen. Wir packen unsere Butterbrote und das Wasser aus, essen und dann leg ich mich auf einen der Steintische — und döse in der Sonne ein. Es ist bestimmt 35°. Ich wache auf und habe mindestens eine halbe Stunde geschlafen. Ich hatte es wohl auch nötig. Die Nächte sind nicht so besonders. Jeden Tag zwischen 8 und 10 Stunden auf den Beinen. Da tut ein Mittagsschläfchen gut.
    In Estella ist heute Abend das Fest der Schutzpatronin. Musik, Tanz und sonstige Darbietungen.
    Mal sehen, was es so alles gibt. Warum sich nicht mal ein Fest gönnen?
     

26.05.2007 Estella – Kloster Irache – Torres del Rio
     
    Die angekündigte Fiesta war schon um 8 Uhr zu Ende. Geboten wurde auf der Bühne des Marktplatzes ein Gesangswettbewerb. Jeweils für Jungen und Mädels, dann im Duett, dann für Männer und Frauen solo und ebenfalls im Duett. Gleiches Recht für alle, jeweils die beiden gleichen Lieder. Schöne Stimmen, schöne Lieder, aber nach dem 15. Beitrag kamen sie mir zum Ohr raus und die Jury musste mich entschuldigen. Ich konnte schon selbst mitsingen! Zu allem Übel fing es auch noch an zu regnen.
    Auf dem Rückweg hab ich die Kirche San Pedro de la Rúa mit dem alten Kreuzgang und dem Rosengarten besucht. Ich halte mich gerne in Kirchen auf. Es sind Orte der Stille und der Besinnung, fernab jeder Hektik, genau das, was ich auf der Wanderung für mich suche. Und finde.

     
    Von einer deutschen Wanderin habe ich Oropax bekommen, allerdings Oropax der neuen Generation. Ein Gebilde aus Kunststoff in Zäpfchenform, das man sich tief in die Ohren stopfen und drehen muss und das die Gehörgänge lärmdicht schließen soll. Am anderen Morgen liegen die beiden Zäpfchen am Fußende im Bett in der alten Form. Anscheinend habe ich so komische Ohr Wascherln, dass sie nicht halten (Bei Kopfhörern für den I-Pod geht es mir genauso).
    Morgens um 6 Uhr wache ich vom Regen auf. Ich liege direkt am offenen Fenster in der Pilgerherberge, diesmal 25 Personen im Zimmer. Zum ersten Mal habe ich richtig gut geschlafen und das 9 Stunden lang.
    Um 7 Uhr regnet es immer noch. Kein Erbarmen des Heiligen Jakobus in Sicht. Mit einer kleinen Gruppe aufgebrochen, lege ich wenig später ein höheres Tempo vor, aber ich kann dem triefenden Regen nicht entkommen. Wenigstens ist der Anorak dicht. Über den Brotbeutel habe ich einen großen schwarzen Müllsack gepackt, um Photoapparat, Handy und Vorräte zu sichern.
    Kurz hinter Estella liegt das Kloster Irache, eines der ältesten Klöster von Navarra. Es ist geschlossen in der Frühe, aber der Weinbrunnen der „Bodega Irache“, einem hiesigen Weingut, sprudelt bereits, wenn man ihn sprudeln lässt. Eine Pilgerattraktion, denn hier kann jeder aus einem Zapfhahn Wein nehmen und so viel trinken wie er lustig ist. Manche trinken ein Gläschen, andere füllen sich die Wasserflasche voll und andere wieder lassen sich einfach nur vor der sprudelnden Quelle fotografieren. Nyoko, die hübsche Japanerin, kichert schon nach einem Glas wie ein kleines
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