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Eine Zuflucht aus Rosen

Eine Zuflucht aus Rosen

Titel: Eine Zuflucht aus Rosen
Autoren: Colleen Gleason
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beobachtete, unablässig und schweigend, als sie das tropfende Tuch zu ihm brachte. Und wieder war sie sich der stählernen Härte in seinen, sie unverwandt beobachtenden, grauen Augen bewusst.
    „Als ich Euch zuvor zum ersten Male erblickte, glaubte ich, ich wäre gestorben und Ihr wärt die Madonna“, sprach er und brach das Schweigen.
    Madelyne blickte ihn kurz an, ein trockenes Lächeln hing ihr in den Mundwinkeln. „Und nun, Mylord?“ Sie schaute auf ihn herab und verwendete das Tuch, um die Paste abzuwischen, die sich in den Haaren an seinem Bauch verklebt hatte. Seine Haut war warm und die Konturen der Muskeln in seiner Mitte waren glatt und hart unter dem Tuch. Als ihre Hand über nackte Haut glitt, kehrte das Prickeln, das vorher in ihren Fingerspitzen begonnen hatte, wieder zurück. Der Mund wurde ihr trocken. Haut und Muskeln eines anderen Menschen hatten sich noch nie so warm und zugleich so hart angefühlt ... es war fremd und erregend. Und sie fühlte sich seltsam.
    „Jetzt? Jetzt frage ich mich, warum eine, so schön wie Ihr es seid, ein Leben im Kloster wählen würde.“
    Abrupt lenkte sie ihre Gedanken von dem Gefühl, das sie bei der Berührung seiner Haut empfand, weg und richtete ihren Blick nach oben, der dort von seinem eingefangen und festgehalten wurde. Während sie das Tuch von seiner Haut löste, schaute sie weg und ihre etwas wirren Gedanken fanden wieder zur alten Ordnung zurück. „Die Freiheit, die wir genießen, findet man nirgends sonst, außer in einem Kloster.“
    „Hinter Steinmauern findet Ihr Freiheit?“ Der Spott war ihm überdeutlich am Gesicht abzulesen.
    Madelyne wandte sich ab, um saubere Wickeltücher zu finden, und als sie an seine Seite zurückkehrte, wappnete sie sich und schaute ihm direkt in jene Augen, die wie grauer Stein waren. „Freiheit von Tod und Krieg, ja – Freiheit von dem Leben, das Ihr jeden Tag neu erlebt. Und wir besitzen auch die Freiheit zu lernen, zu lesen, zu schreiben ... und die Freiheit vor Männern, die über unser Leben bestimmen möchten.“ Noch als die recht zornigen Worte ihr über die Lippen kamen, bedauerte sie diese. Auf einmal packte sie das Gefühl: Wenn sie über die Freiheiten sprach, die Frauen im Kloster hatten, so könnten ihnen diese ebenso schnell wieder geraubt werden.
    Einen Augenblick lang schwieg er und betrachtete sie mit seinen Augen. Ihre Worte hingen noch zwischen ihnen im Raum. Als er endlich sprach, war seine Stimme ausdruckslos und höhnisch. „Die frommen Schwestern haben Euch gut unterwiesen. Seid Ihr schon seit Eurer Geburt hier? Eine jüngere Tochter, die man mit einer Mitgift zur Kirche schickt, um sicher zu gehen, dass ihrem Vater das Himmelstor offen steht?“
    „Ich bin lange genug hier, um zu wissen, dass ich innerhalb dieser Mauern mehr Freiheit genieße als außerhalb. Niemals würde ich von hier fortgehen.“ Sie war nur wenig überrascht, dass ein Mann nicht verstand, warum sie dieses Leben wählte, und Madelyne kehrte zu ihrem Arbeitstisch zurück. „Ruht Euch jetzt aus.“
    * * *
    Sie würden schon bald aufbrechen.
    Vielleicht würde er die friedvolle Ruhe des Klosters vermissen, dachte Gavin leicht amüsiert, als er auf einem großen Stein im Innenhof saß. Aber er würde wohl eher alle hier in dem Moment bereits vergessen, sobald er durch das Tor hinausritt.
    Er musste in die Welt zurückkehren, in die schwarze Finsternis seiner Rache an Fantin de Belgrume ... zu der Trostlosigkeit, die ihn erwartete, und zu der Wut, die so sehr ein Teil von ihm geworden war. Niemand wartete auf ihn außerhalb dieser Mauern, nicht einmal Judith – auch wenn sein Leben nichts anderes als ein Instrument geworden war, ihren Schmerz zu rächen. Gavin würde sie – und auch sich selbst – rächen und dann ... ja, dann würde er sich glücklich dem Tode ergeben, wenn der ihn zu sich rufen sollte.
    Etwas tauchte am Rande seines Gesichtsfelds auf, in dem Moment, als die Person sich bewegte: anmutig, gelassen. Gavin drehte sich um und schaute hoch in das Gesicht der Nonne, die er in Gedanken immer noch die Madonna nannte.
    „Es geht Euch gut genug, dass Ihr reiten könnt“, bemerkte sie mit ihrer leisen, ruhigen Stimme. „Ich habe Euch einen letzten Trank gebracht, bevor Ihr aufbrecht.“
    Sie reichte ihm eine silberne Schale, verziert mit Bildern von Rosen, die hier im Kloster überall wuchsen. Der Ärmel ihres Gewands rutschte nach hinten und gab ein schmales, weißes Handgelenk frei. Ein Trio aus
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