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Eine Vorhaut klagt an

Eine Vorhaut klagt an

Titel: Eine Vorhaut klagt an
Autoren: Shalom Auslander
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trösten, sagte Dov zu Avrumi.
    – Möge Gott dich unter den Trauernden von Zion und Jerusalem trösten, sagte Motty zu Avrumi.
    – Wie geht’s?, sagte ich zu Avrumi. – Harte Sache.
    Rabbi Kahn nahm die Haut an meinem Oberarm zwischen Daumen und Zeigefinger und drehte sie.
    – Aua!, schrie ich.
    – Schmendrik , knurrte er. Idiot.
    Nachdem der letzte Junge Gott gebeten hatte, Avrumi unter den Trauernden von Zion und Jerusalem zu trösten, hob Rabbi Kahn die Hand hoch über den Kopf und ließ sie krachend auf den Tisch fallen. Selbst die Gebetbücher zitterten.
    Der Segenwettbewerb begann.
    Wir stellten uns alle hinten im Klassenzimmer auf, zogen nervös an unseren Zizijot und zwirbelten unsere Schläfenlocken. Die Regeln waren einfach: Sagte man den korrekten Segen, blieb man zur nächsten Runde stehen. Sagte man den falschen, setzte man sich hin.
    Neben mir stand der Sieger vom letzten Jahr, Yukisiel Zalman Yehuda Schneck. Er lehnte ruhig an der Wand und bohrte lässig in der Nase. Der Typ war eiskalt.
    – Auslander, Shalom!, rief Rabbi Kahn. Ich trat vor.
    – Apfel!, brüllte er.
    – Apfel!, rief ich. – Ha-ez!
    – Korrekt, sagte Rabbi Kahn.
    Der Segenwettbewerb begann einfach. Dov Becker bekam Thunfisch ( Sche-hakol , der Alles-andere-Segen), Ari Mashinsky bekam Matze ( Ha-mozi , der Segen für Brot), und Yisroel Tuchman blieb bei Kugel hängen, Nudelauflauf, den er für Ha-adama hielt – Speise aus der Erde –, tatsächlich aber Mesones war – der Segen für Weizen. Drei weitere Jungen flogen mit Hafermehl raus, Borschtsch mit saurer Sahne forderte zwei andere, und am Ende der ersten Runde saßen schon fast ein Drittel der Schüler wieder auf ihren Stühlen.
    Runde zwei.
    – Auslander, Shalom!, rief Rabbi Kahn.
    Ich trat vor.
    – Gerstensuppe mit Pilzen!, brüllte er.
    Gerstensuppe mit Pilzen, Gerstensuppe mit Pilzen. Verdammt. Ich wusste, ich hätte das Suppenkapitel besser lernen sollen; ich hatte die halbe Woche mit Vorspeisen vertan.
    War es nun Ha-adama für die Pilze, die aus der Erde kamen, oder war es Mesones für die Gerste? Vielleicht war es ja auch Sche-hakol , der Alles-andere-Segen, für die Flüssigkeit? Und von Croûtons hatte er gar nichts gesagt … wenn nun auch Croûtons drin waren?
    – Gerstensuppe mit Pilzen!, rief ich. – Mesones!
    Rabbi Kahn funkelte mich an und zog an seinem Bart; seine Augen verengten sich zu zornigen kleinen Schlitzen.
    – Und … ähm … Sche-hakol ?, fügte ich hinzu.
    Rabbi Kahn schlug auf seinen Tisch, was bedeutete, dass ich korrekt geantwortet hatte. Seine Miene vermittelte ein Triumphgefühl, als seien allein sein Spott und seine unausgesprochenen Drohungen für meinen Erfolg verantwortlich.
    Bei Apfelstrudel schieden Dov Becker, Yoel Levine und Mordechai Pomerantz aus. Mein Freund Motty Greenbaum blieb bei Käsekuchen stecken, und ich sah schon an seinem Gesichtsausdruck, dass er nicht die leiseste Ahnung hatte. Er war so schlau, zwei Antworten anzubieten, eine für dünne Kruste und eine für dicke, und schaffte es so irgendwie, drinzubleiben.
    Kaum zu glauben, dass es erst die zweite Runde war.
    – Gruenembaum, Avrumi!, brüllte Rabbi Kahn.
    Avrumi trat vor. Ich grinste Motty zu. Avrumi mochte zwar seinen Vater getötet haben, aber ansonsten war er nicht sehr hell. Er konnte von Glück sagen, dass er überhaupt in der zweiten Runde war.
    – Bagel!, brüllte Rabbi Kahn.
    Bagel? Ich sah Motty ungläubig an. War das ein Witz? Bagel?
    – Bagel!, rief Avrumi. – Ha-mozi!
    So eine Scheiße.
    – Korrekt!, brüllte Rabbi Kahn. – Sehr gut!
    Ephraim Greenblat, Avrumi Epstein und Yehosua Frankel flogen alle bei Tscholent mit Gerste und großen Fleischstücken raus, gehackte Leber auf Challa mit einem Blatt Salat und ein paar Oliven bedeutete das Ende für weitere vier, darunter auch Motty.
    Und dann waren nur noch drei übrig: Yukisiel Zalman Yehuda Schneck, Avrumi Gruenembaum und ich.
    Die dritte Runde begann.
    – Auslander, Shalom!, rief Rabbi Kahn.
    Ich trat vor.
    – Eiscreme!, brüllte Rabbi Kahn. – In der Tüte!
    Eiscreme in der Tüte, Eiscreme in der Tüte. Eiscreme wusste ich, aber warum auch noch die Tüte? War der Segen ein anderer, wenn es in der Tüte war? Woraus war die Tüte überhaupt? War sie ein Kuchen? War sie eine Waffel?
    – Eiscreme in der Tüte!, brüllte Rabbi Kahn.
    – Ähm … eine Zuckertüte oder eine normale Tüte?
    – Eine Zuckertüte!, brüllte er. – Eine Zuckertüte, na klar, eine Zuckertüte!
    Ist die
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