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Eine verlockende Braut: Roman (German Edition)

Eine verlockende Braut: Roman (German Edition)

Titel: Eine verlockende Braut: Roman (German Edition)
Autoren: Teresa Medeiros
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bei ihrem Papa um ihre Hand anzuhalten, seinen Segen zu erbitten.
    Er hatte sich während seines Besuches wie ein echter Edelmann verhalten, hatte nie eine herablassende Bemerkung über den schäbigen Empfangssalon mit dem verblassten Teppich, die sich von den Wänden schälenden Tapeten und die nicht zueinanderpassenden Möbel gemacht oder verächtlich ihre unmodischen und geflickten Kleider gemustert. Seinem höflichen Auftreten und seinem liebenswürdigen Benehmen zufolge hätte man meinen können, er wäre zum Tee beim Prinzregenten in Carlton House.
    Er hatte Emma stets behandelt, als sei sie bereits eine Countess und nicht die älteste Tochter eines verarmten Baronets, zwischen dem und dem Armenhaus nur eine unüberlegte Wette stand. Und er war nie mit leeren Händen gekommen. Ein Schritt hinter ihm war stets ein Lakai gegangen, der mit ausdrucksloser Miene Berge von Geschenken in den muskulösen Armen trug: handbemalte Fächer, Glasperlen und bunt bebilderte Modezeitschriften für Emmas Schwestern, für ihre Mutter französische Lavendelseife und Ballen mit hübschen Baumwollstoffen und für ihren Vater Flaschen feinsten schottischen Whiskys – und ledergebundene Ausgaben von William Blakes Songs of Innocence oder Fanny Burneys jüngster Roman für Emma selbst. Das waren für einen Mann seines Reichtums bestenfalls Kinkerlitzchen, aber solcher Luxus war im Herrenhaus für eine lange Zeit Mangelware gewesen. Seine Großzügigkeit hatte eine kleidsame Röte in die fahlen Wangen ihrer Mutter getrieben und Emmas Schwestern echte Freudenschreie entlockt.
    Emma schuldete dem Mann Dankbarkeit und Loyalität, wenn auch nicht Liebe.
    Außerdem, wie lange kann er überhaupt noch weiterleben?, dachte sie, empfand aber sogleich Gewissensbisse.
    Obwohl es gerüchteweise hieß, der Earl sei beinahe achtzig Jahre alt, sah er eher aus, als läge sein Alter näher bei hundertfünfzig. Dem grauen Ton der Haut in seinem Gesicht und dem schwindsüchtigen Pfeifen nach zu schließen, das jeden seiner Atemzüge begleitete, überlebte er am Ende nicht einmal ihre Hochzeitsnacht. Als ein Luftzug ihr einen Hauch dieses Atems in die Nase trug, wankte Emma kurz, denn sie fürchtete, sie selbst würde diese Nacht am Ende auch nicht überleben.
    Beinahe als hätte sie Emmas grimmige Gedanken erraten, wisperte eine der Frauen, die in der ersten Reihe saß: »Eines kann man über unseren Laird mit Fug und Recht sagen: Er muss reichlich Erfahrung haben, Frauen zu beglücken.«
    Ihrer Begleiterin gelang es nicht, ein Grunzen zu unterdrücken, das sich fast wie das eines Schweines anhörte. »Allerdings. Besonders da er schon drei Ehefrauen überlebt hat und all die Kinder, die er mit ihnen gezeugt hat, nicht zu vergessen eine ganze Schar Mätressen.«
    Das Bild ihres ältlichen Bräutigams, wie er seinen zahnlosen Mund in einer unbeholfenen Parodie eines leidenschaftlichen Kusses über ihre Lippen rieb, ließ Emma einen frischen Schauder über ihren Rücken laufen.
    Sie hatte sich noch nicht gänzlich von der Stunde erholt, in der ihre Mutter ihr mit quälender Ernsthaftigkeit auseinandergesetzt hatte, was in der Hochzeitsnacht von ihr erwartet wurde. Als ob der beschriebene Akt an und für sich nicht schon schrecklich oder peinlich genug klang, hatte ihre Mutter ihr auch noch den Rat mit auf den Weg gegeben, dass die Bemühungen des Earls viel schneller vorüber wären, wenn sie den Kopf abwandte und ein wenig unter ihm zappelte. Wenn seine Aufmerksamkeiten zu unangenehm würden, solle sie am besten die Augen schließen und an etwas Schönes denken – wie an einen außerordentlich schönen Sonnenaufgang oder eine Dose mit frischen Zuckerkeksen. War er erst einmal fertig, stünde es ihr frei, ihr Nachthemd nach unten zu ziehen und zu schlafen.
    Frei, hallte es in Emmas Herz verzweifelt wider. Nach dem heutigen Tag würde sie nie wieder frei sein.
    Sie wandte den Blick von dem hoffnungsvollen Gesicht ihres Bräutigams ab und blieb beim Großneffen des Earls hängen, der sie finster anstarrte. Ian Hepburn war der einzige Mensch in der Klosterkirche, der so unglücklich aussah, wie ihr zumute war. Mit seiner hohen römischen Stirn, dem Kinn mit dem Grübchen und dem glatten dunklen Haar, das im Nacken von einem Satinband zusammengehalten wurde, hätte er als gutaussehender Mann gelten sollen. Am heutigen Tage jedoch war die klassische Schönheit seiner Züge durch einen Ausdruck verunstaltet, der Hass gefährlich nahe kam. Er billigte diese
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