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Eine Stuermische Nacht

Eine Stuermische Nacht

Titel: Eine Stuermische Nacht
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er in einer Nacht mit einem Unwetter wie diesem schiffbrüchig im Ärmelkanal gefunden worden?
    Wie um ihre Überlegungen zu unterstreichen, fuhr ein Windstoß schrill pfeifend den Kamin hinab, sodass sie vor Schreck zusammenzuckte. Von ihrer Reaktion belustigt und nachdem sie bemerkt hatte, dass das Feuer heruntergebrannt war, stand sie auf und ging zum Kamin. Mit dem Feuerhaken stocherte sie in der Glut, sodass Funken aufstoben. Von einem Stapel Feuerholz in der Nähe nahm sie ein paar Scheite und legte sie in den Kamin. Erst als das Feuer wieder fröhlich knisternd und hell brannte, war sie zufrieden und nahm auf dem hochlehnigen Polsterstuhl in der Nähe Platz.
    Sie schaute zu dem Fremden und sah erfreut, dass seine Wangen leicht gerötet waren und seine Lippen wieder eine normale Farbe aufwiesen. Die Bläue war verschwunden, weil seine Körpertemperatur stieg. Mrs Gilbert hatte recht. Er würde sich erholen.
    Nachdem sie sich vergewissert hatte, dass es dem Fremden gut ging, verdrängte sie ihn aus ihren Gedanken und dachte daran, was Mrs Gilbert und Jeb im Augenblick taten. Und sie fragte sich wieder, ob sie vor vier Jahren die richtige Entscheidung getroffen hatte …
    Zu Beginn hatte sie sich dagegen gewehrt, und in den ersten Jahren nach dem Tod ihres Vaters war es ihr auch trotz des Einzugs ihres Cousins mit seinem hohen Geldverbrauch und der damit einhergehenden Belastung des Gutes gelungen, ihre Großtante Cornelia und ihre Stiefmutter Anne abzuschirmen und ihnen ein angenehmes Leben zu ermöglichen. Nachdem ihr Cousin einen Großteil des ansehnlichen Vermögens, das ihr Vater zusammengetragen hatte, verschwendet hatte und sich darauf verlegt hatte, möglichst viel Geld aus dem Gut abzuziehen, um es an den Spieltischen und in den Bordellen Londons durchzubringen, war ihr keine andere Wahl geblieben.
    Da die Küste von Sussex nur wenige Meilen entfernt war, war Emily mit den Geschichten über die Schmuggler der Gegend aufgewachsen, sodass es keine so ungeheuerliche Entscheidung gewesen war. Solange sie sich erinnern konnte, hatte sie sogar von der Köchin und dem Butler, Walker, immer wieder die legendären Erzählungen über die Tapferkeit der Schmuggler und ihre Findigkeit dabei zu hören bekommen, den hilflos überforderten Fahndern und den berittenen Offizieren einmal mehr ein Schnippchen zu schlagen. Wenn sie gerade in milder Stimmung war, hatte sogar ihre Großtante eine haarsträubende Geschichte über die Schmuggler beigesteuert, die ihr Geschäft an der Küste betrieben. Viele Leute in der Gegend waren zwar selbst keine Schmuggler, aber sie waren mit ihnen verwandt oder verbandelt.
    Im Alter von zehn Jahren hatte Emily mehrere bekannte Schmuggler beim Namen nennen können und ebenso ein Dutzend oder mehr Dorfbewohner und Knechte, die halfen, das Schmuggelgut bis in die Randbezirke Londons zu transportieren. Ihr Vater hatte auch nichts dabei gefunden, kommentarlos das Päckchen mit Tee, das Fässchen mit französischem Brandy oder den Ballen feinster Seide anzunehmen, die regelmäßig in seinen Ställen auftauchten – meist am Morgen, nachdem mehrere seiner Pferde schlammbedeckt und erschöpft in ihren Stallboxen entdeckt worden waren.
    Aus der Einsicht heraus, dass sie irgendetwas tun musste, um sie alle vor der Mittellosigkeit zu bewahren, so letztlich gänzlich auf die Gnade ihres Cousins angewiesen, war es ein leichter Schritt gewesen, sich dem Schmuggel zuzuwenden. Und, gestand sie sich mit zusammengebissenen Zähnen ein, es hatte noch einen Grund gegeben: Ihr kleines Schmuggelunternehmen hatte dafür gesorgt, dass mehrere Dorfbewohner ihr Hab und Gut behielten und nicht ins Armenhaus mussten. Es hatte sie davor bewahrt, obdachlose Bettler zu werden.
    Der plötzliche Tod ihres Vaters – ein gebrochenes Genick, als sein Pferd auf einer Jagdgesellschaft in Leicestershire vor einem Zaun gescheut und ihn abgeworfen hatte – hatte die ganze Familie und die Nachbarschaft völlig unerwartet getroffen. Anne, ihre Stiefmutter, nur zwei Jahre älter als sie selbst, war von der Nachricht des Todes ihres Gatten derart am Boden zerstört, dass sie ihr Kind verlor, mit dem sie schwanger war.
    Es war eine furchtbare Zeit gewesen. Nicht nur, dass die kleine Familie den entsetzlichen Verlust von Neffen, Vater und Ehemann zu verkraften hatte, als viel schlimmer erwies sich dessen Nachfolger. Jeffery Townsend, der älteste Sohn des jüngeren Bruders des Squire, hatte sein Erbe mit unpassender Begeisterung
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