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Eine naechtliche Begegnung

Eine naechtliche Begegnung

Titel: Eine naechtliche Begegnung
Autoren: Meredith Duran
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mit deinem Vater sprechen.« Mums Stimme klang plötzlich eigenartig – seltsam mädchenhaft. »Du musst mit seiner Lordschaft sprechen.«
    Ihrem Vater? »Mum.« Sie wagte kaum zu atmen. »Was redest du da? Du kannst nicht meinen, dass Lord Rushden …«
    »Lass nicht zu, dass er dich in Versuchung führt«, murmelte Mum. »Widerstehe der Sünde.«
    »Du fantasierst.« Nell schluckte schwer. »Donald Miller ist mein Vater.« Mum hatte von ihm erzählt. Ein freundlicher, achtbarer Bauer aus Leicestershire, der an Cholera starb, als Nell noch ein Baby war.
    »Nein«, sagte Mum, noch immer mit dieser zarten, träumerischen Stimme. »Eine Lüge. Nur Lord Rushden, Cornelia. Vor langer Zeit, früher. Er wird dir helfen. Ich habe dich zu deinem Besten mitgenommen. Nun kann ich nicht länger für dich da sein. Schreib ihm.«
    Das Herz schlug ihr bis zum Hals. Es konnte unmöglich wahr sein, aber sie fand keine andere Erklärung: Ihre tugendhafte Mutter hatte gerade zugegeben, dass Nell ein Bastard war. Der Bastard eines Lords.
    Kein Wunder, dass sie aussah wie das Mädchen auf der Fotografie.
    Nell beugte sich über ihre Mutter und packte hart ihre Hand. »Würde er einen Arzt für dich bezahlen?«
    »Ach, Cornelia …« Beim schrillen Lachen ihrer Mutter lief es ihr kalt den Rücken hinunter. »Der Teufel würde noch sehr viel mehr tun.«

2
    Es gab kaum etwas Langweiligeres als eine Party, die lediglich die Verderbtheit des Gastgebers unter Beweis stellen sollte. Die Zusammenkunft bei Colton war da keine Ausnahme. Die Wände waren mit dunklem Samt abgehängt, und der Strom war abgestellt worden. Das einzige Licht spendeten eiserne Kandelaber, die man überall im Raum verteilt hatte. Ein jämmerlich aussehendes Streichquartett saß in einer Ecke und schrammelte eine Melodie, die Simon nachträglich als rückwärts gespieltes
Te Deum
erkannte. Über ihren Köpfen hing an einem verdunkelten Kronleuchter ein umgedrehtes Kreuz. Die Dienstmädchen – jedenfalls die, die noch bekleidet waren – trugen Nonnentrachten.
    Simon lachte leise auf, als er eintrat. Warum bloß diese ewige Fixiertheit auf Nonnen? Die Gesichter in der lärmenden Menge waren ihm größtenteils bekannt, und wie immer war kein Katholik darunter. Er konnte daraus nur schließen, dass irgendetwas in der anglikanischen Tradition schmutzige Fantasien mit religiöser Thematik hervorrief.
    Wenigstens war keine schwarze Messe im Gang. Ein schwacher Trost.
    Sobald seine Anwesenheit bemerkt wurde, begrüßte man ihn rechts und links – ein Abgeordneter ließ von einer halb nackten Frau ab, um eine Verbeugung anzudeuten, und drei Magnaten der Stadt prosteten ihm so eifrig zu, dass der größte Teil des Whiskys auf dem Teppich landete. Er nickte liebenswürdig und suchte die Menge nach seiner Beute ab. Dabei drangen erregt gemurmelte Spekulationen an seine Ohren, Bemerkungen über seine realen und imaginären Sünden. Die meisten selbstverständlich imaginär.
    Unwillkürlich verzog er den Mund. Der alte Rushden hatte das nie begriffen. Er hatte alles geglaubt, was über den Erben seines Titels geredet wurde. Selbst jetzt verspürte Simon keine Reue, dass er nie versucht hatte, den Mistkerl vom Gegenteil zu überzeugen. Sogar heute Nacht, am Rande des Ruins, wusste Simon, dass es nicht anders hätte sein können. Sein Vormund hatte ihn von Anfang an verurteilt. Simon hatte niemals eine Chance gehabt.
    »Rushden!« Harcourt hatte ihn entdeckt und kam näher. Er machte einen Bogen um zwei halb angezogene Herzöge, die ein auf einem Esstisch herumtänzelndes Mädchen dirigierten. Es war kaum älter als fünfzehn, noch fähig, begeistert über solchen Schwachsinn zu lächeln. »Du bist gekommen!«
    »Genau wie du«, gab Simon zurück. Sein Blick ruhte noch auf dem Mädchen. Er seufzte, als einer der kleinen Lords unverhüllt nach ihrer Brust griff. Es war verlockend, ihr mit einem Geldstück die Flucht zu finanzieren, allerdings würde sie es wohl nicht annehmen. Diese Party war wahrscheinlich die beste Verdienstmöglichkeit, die sie je bekäme.
    Er wandte sich Harcourt zu: »Und warum bist du hier?« Harcourt war der Letzte, der Bedenken gegen ausgelassene Gelage hegte, aber diese Leute waren nicht ausgelassen, sie posierten nur voreinander. Er verkehrte gewöhnlich in besserer Gesellschaft.
    »Ich weiß, ein trauriger Anblick.« Harcourt fuhr sich schwankend durch das fuchsrote Haar, wobei ihm eine Locke in die Stirn fiel. »Aber heute Nacht ist sonst nichts los. Ich
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