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Eine Lady nach Maß

Eine Lady nach Maß

Titel: Eine Lady nach Maß
Autoren: Karen Witemeyer
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in Stoffe und Zubehör zu investieren. Da sie nicht gewusst hatte, was es in dem kleinen Coventry zu kaufen gab, hatte sie alles mitgebracht, was sie vielleicht brauchen könnte. Einschließlich ihres wertvollsten Besitzes – einer Singer-Nähmaschine. Das Monster wog fast genauso viel wie die Lokomotive, die sie hierhergebracht hatte, aber es war wunderschön. Sie würde höchstpersönlich dafür sorgen, dass es ihr Geschäft wohlbehalten erreichen würde.
    Ihre Zehen berührten den hölzernen Boden des Bahnsteiges. Nur noch eine staubige Straße lag zwischen ihr und ihrem Traum. Aber die letzten Minuten des Wartens fühlten sich wie Stunden an. Konnte sie wirklich ihr eigenes Geschäft führen? Oder würde sich Miss Ashmonts Vertrauen in sie als Irrtum herausstellen? Zweifel befielen sie. Was, wenn die Frauen in Coventry keine Schneiderin brauchten? Was, wenn sie ihre Entwürfe nicht mochten? Was, wenn …
    Hannah sprang auf und schritt ungeduldig hin und her. Mutig und selbstsicher. Oh, und Vertrauen auf Gott. Hannah hielt inne. Ihr Blick wanderte über die Hügel, die sich wie die Wellen des Ozeans um sie erhoben. „Ich blicke hinauf zu den Bergen: Woher wird mir Hilfe kommen? Meine Hilfe kommt vom Herrn, der Himmel und Erde gemacht hat!“ Der Psalm sickerte in ihre Seele und brachte ihr Ruhe und Sicherheit. Gott hatte sie hierhergeführt. Er würde für sie sorgen.
    Sie nahm ihre Wanderung wieder auf und spürte, wie die Angst allmählich von ihr abfiel. Als sie gerade ihr Gepäck zum sechsten Mal umrundete, hörte sie endlich das Knarren von Wagenrädern, die über den trockenen Boden rollten.
    Vor ihr tauchte ein Fuhrwerk auf. Hannahs Herzschlag verdoppelte sich. Es schien nicht dieser Tom zu sein, der fuhr. Ein Fremder mit abgewetztem braunen Hut über den Augen saß auf der Bank. Das musste dieser J.T.-Mensch sein, von dem Tom berichtet hatte. Nun, solange er stark genug war, um ihre Nähmaschine wohlbehalten in ihren Laden zu bringen, war es Hannah egal, wer den Wagen lenkte.
    Eine Hand winkte freundlich aus dem Wagen heraus. Hannah war erleichtert, dass Tom wieder mitgekommen war. Erfreut winkte sie zurück. Zwei Männer würden ihr Gepäck sicher leichter schleppen können.
    Der Fahrer brachte die Pferde zum Stehen und zog die Bremse an. Er sprang vom Wagen und machte sich auf den Weg zum Bahnsteig. Seine langen, zielsicheren Schritte zeugten von Selbstvertrauen und standen in krassem Gegensatz zu Toms torkelnden Schritten neben ihm. Wenn man von der Breite seiner Schultern ausging und davon, wie sehr sich das Hemd über seiner Brust und den Armen spannte, konnte sie sicher sein, dass er ihre Nähmaschine ohne Probleme transportieren würde.
    Tom rannte vor dem Neuankömmling her und zog seinen grauen Schlapphut vom Kopf. Seine dunkelblonden Locken standen in alle Richtungen ab, aber in seinen Augen war ein freundliches Funkeln zu sehen. „Ich hab den General geholt, Ma’am. Wir haben in null Komma nix alles aufgeladen.“ Er zog den Hut wieder auf und ging zielstrebig an ihr vorbei.
    Hannahs Blick wandte sich dem Mann zu, der ein paar Meter vor ihr stand. Er sah nicht wie ein General aus. Keine Militäruniform. Stattdessen trug er Cowboystiefel und Jeans, die an den Knien langsam fadenscheinig wurden. Ein Zahnstocher steckte zwischen seinen Lippen und bewegte sich hin und her, als der Mann darauf herumkaute. Vielleicht war General ein Spitzname. Er hatte noch kein Wort gesagt, aber etwas an seiner Haltung verlieh ihm eine gewisse Autorität.
    Sie straffte ihre Schultern und trat auf ihn zu. Immer noch aufgeregt, weil heute ihr neues Leben beginnen würde, konnte sie dem Drang nicht widerstehen, den stoischen Mann zu necken.
    „Danke, dass Sie mir heute behilflich sind, General.“ Sie lächelte ihn an, während sie auf ihn zuging, und konnte endlich mehr von seinem Gesicht erkennen als nur sein Kinn. Er hatte schöne, bernsteinfarbene Augen, obwohl sie ein wenig kalt wirkten. „Soll ich salutieren oder so etwas?“
    Er hob seine rechte Augenbraue. Dann verzog sich sein Mund tatsächlich zu einem winzigen Lächeln. Hannah wusste, dass ihre Bemerkung das Eis ein wenig gebrochen hatte.
    „Ich befürchte, ich bin nur Zivilist, Ma’am.“ Der Mann wandte seinen Kopf in Richtung des Wagens. „Das ist der General . Tom mag es, Dingen Namen zu geben.“
    Hannah lachte. „Ich verstehe. Also, ich bin froh, dass Sie beide mir helfen. Mein Name ist Hannah Richards.“
    Der Mann lupfte kurz seinen Hut.
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