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Eine Jungfrau Zu Viel

Titel: Eine Jungfrau Zu Viel
Autoren: Lindsey Davis
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Sonderbeauftragte des Kaisers für den Zensus in Tripolitanien. Fern sei es mir, diesen ehrenhaften Zeitgenossen zu verdächtigen, sich den Titel selbst zugeschustert zu haben. Offenbar war er als Exkonsul im Palast gut gelitten. In Leptis hatten wir die engen gesellschaftlichen Bande zweier fern von der Heimat zwischen verschlagenen Fremden gestrandeter Römer genossen, aber jetzt merkte ich, dass ich ihn mit mehr Vorsicht betrachtete. Er war einflussreicher, als mir bisher bewusst gewesen war. Ich nahm an, dass sein Aufstieg bei weitem noch nicht den Höhepunkt erreicht hatte. Er konnte ein Freund sein – aber ich würde nicht darauf bauen.
    Ich grüßte ihn unauffällig. Rutilius nickte zurück. Er saß etwas abseits, hatte sich keiner Gruppe angeschlossen. Da ich wusste, dass er als Senator der ersten Generation aus Augusta Taurinorum im verachteten Norden Italiens nach Rom gekommen war, spürte ich, dass er im Ruch des Außenseiters stand. Ich nahm an, dass ihn das nicht störte.
    Ein Neuling zu sein, von der Patrizierschicht verachtet, war unter Vespasian kein Hindernis mehr, nachdem dieser grobschlächtige Emporkömmling, den niemand ernst nahm, die Welt in Erstaunen versetzt und sich zum Kaiser gemacht hatte. Jetzt betrat er den Saal mit der Haltung eines neugierigen Touristen, ging aber direkt zu seinem Thron. Er trug den Purpur mit sichtbarem Vergnügen und beherrschte den Raum mühelos. Der alte Mann nahm seinen zentralen Platz ein, eine stämmige Gestalt, die Stirn in Falten gelegt wie von lebenslanger Anstrengung. Das war irreführend. Satiriker konnten sich einen Spaß aus seiner wie unter ständiger Verstopfung leidenden Erscheinung machen, aber er hatte Rom und die gesamte Oberschicht genau da, wo er sie haben wollte, und sein grimmiges Lächeln verriet, dass er das wusste.
    An seiner Seite tauchte schließlich Titus auf, genauso stämmig, aber halb so alt wie sein Vater und doppelt so freundlich. Er brauchte einige Zeit, um seinen Platz einzunehmen, weil er zunächst alle leutselig begrüßte, die erst vor kurzem aus den Provinzen nach Rom zurückgekehrt waren. Titus hatte den Ruf eines netten, weichherzigen Burschen – immer ein Zeichen für einen unangenehmen Dreckskerl, der mordsgefährlich werden konnte. Er stattete den neuen flavischen Hof mit Lebenskraft und Talent aus – und mit Königin Berenike von Judäa, einer exotischen Schönheit und zehn Jahre älter als er, die sich, nachdem es ihr nicht gelungen war, Vespasian zu umgarnen, mit ihrem nachlässigen Charme den Nächstbesten geschnappt hatte. Kaum einen Tag zurück auf dem Forum, kannte ich bereits die heißeste Nachricht: Sie war ihrem hübschen Spielzeug vor kurzem nach Rom gefolgt.
    Titus selbst war angeblich außer sich vor Freude über diesen zweifelhaften Glücksfall, aber ich war mir verdammt sicher, dass Vespasian damit fertig wurde. Der Vater hatte seinen kaiserlichen Anspruch auf hochgesinnten traditionellen Werten aufgebaut. Eine Möchtegernkaiserin mit einer Geschichte voller Inzest und Einmischung in die Politik eignete sich nicht als Porträt für das Schlafzimmer des nächsten jungen Cäsaren. Nicht mal, wenn sie sich dem Künstler als eine an ihrem Stilus nuckelnde, stets häusliche Jungfrau präsentierte, deren Gedanken nur auf ihr Kücheninventar gerichtet waren. Jemand sollte es ihr sagen – Berenike würde rausfliegen.
    Titus, der freundliche Bursche, lächelte gütig, als er mich bemerkte. Vespasian sah Titus lächeln und runzelte die Stirn. Da ich Realist bin, war mir das Stirnrunzeln lieber.
    Die Einzelheiten der nachfolgenden Sitzung unterliegen vermutlich der offiziellen Geheimhaltung. Die Ergebnisse waren jedoch für alle sichtbar. Zu Beginn seiner Regierungszeit hatte Vespasian verkündet, er brauche vier Millionen Sesterzen, um Rom wieder auf die Beine zu bringen. Kurz nach Beendigung des Zensus baute und renovierte er auf jedem nur denkbaren Grundstück, mit dem erstaunlichen Flavischen Amphitheater am Ende des Forums als Besiegelung seiner Leistungen. Dass er sein hoch gestecktes fiskalisches Ziel erreichte, ist nicht neu.
    Selbst mit einem Vorsitzenden, der Bummelei hasste und zur Durchsetzung seiner Pläne über die gescheitesten Beamten der Welt verfügte, benötigte sein Imperium ein gewaltiges Budget. Wir brauchten vier Stunden zur Auswertung aller Zahlen.
    Vespasian schien nicht zu bemerken, dass er äußerst zufrieden mit seinen neuen Geldmitteln sein konnte, obwohl Titus ein paarmal anerkennend
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