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Eine Jungfrau Zu Viel

Titel: Eine Jungfrau Zu Viel
Autoren: Lindsey Davis
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den Mann noch nicht persönlich kennen gelernt; seine Beschwerde war mir von einem geplagten Priestergehilfen zugetragen worden. Ich hatte vor, dem Flamen aus dem Weg zu gehen. Sonst könnte es mir passieren, dass ich einem einflussreichen Drecksack erklärte, wohin er sich seinen Amtsstab schieben könne. Als staatlicher Prokurator konnte ich mir solche Sprüche allerdings nicht mehr erlauben.
    »Er ist sehr wichtig«, beharrte das Mädchen. Irgendwas schien sie nervös zu machen. Ganz offensichtlich war der Flamen zu sehr von sich überzeugt. Ich hasse die Mitglieder der alten Priesterschaft wegen ihrer Einbildung und ihren lächerlichen Tabus. Am meisten hasse ich den versteckten Einfluss, den sie in Rom besitzen.
    »Du hörst dich an, als würdest du ihn kennen, Gaia!«, meinte ich im Spaß.
    Ihre Antwort haute mich glatt um. »Wenn er Laelius Numentinus heißt, ist er mein Großvater.«
    Mir sank das Herz. Das war eine ernsthafte Angelegenheit. Sich mit dem bornierten König der kultischen Priesterschaft wegen ein paar falsch platzierter unerwünschter Gänschen anzulegen, war bereits ein ziemlich schlechter Anfang für meinen neuen Posten, ohne dass der Mann auch noch herausfand, dass seine geliebte Enkeltochter sich an mich um Hilfe gewandt hatte. Ich sah, wie Helena die Augenbrauen hob und alarmiert zusammenzuckte. Es wurde Zeit, sich aus der Affäre zu ziehen.
    »Ah ja. Wieso bist du hier, Gaia? Wer hat dir von mir erzählt?«
    »Ich habe gestern jemanden getroffen, der sagte, Sie würden Leuten helfen.«
    »Olympus! Wer hat denn so was Verrücktes behauptet?«
    »Das spielt keine Rolle.«
    »Wer weiß, dass du hier bist?«, fragte Helena besorgt.
    »Niemand.«
    »Geh nicht von zu Hause weg, ohne Bescheid zu sagen, wohin du willst«, wies ich das Kind zurecht. »Wo wohnst du? Ist es weit von hier?«
    »Nein.«
    Von drinnen ertönte plötzlich Julias lauter Schrei. Sie war weggekrabbelt und verschwunden, steckte jetzt jedoch offensichtlich in Schwierigkeiten. Helena zögerte, lief dann aber los, falls die Krise mit heißem Wasser oder scharfen Gegenständen zu tun hatte.
    Es gab nichts, wofür ein sechsjähriges Kind einen Ermittler benötigte. Ich hatte mit Scheidungen und finanziellen Betrügereien zu tun, Kunstraub, politischen Skandalen, verloren gegangenen Erben, vermissten Geliebten und ungeklärten Todesfällen.
    »Hör zu, ich arbeite für Erwachsene, Gaia, und du solltest heimgehen, bevor deine Mutter dich vermisst. Ist das dein Tragestuhl da auf der Straße?«
    Das Kind sah etwas unsicherer aus als zuvor und schien bereit zu sein, zu ihrem schicken Transportmittel hinunterzugehen. Automatisch begann ich mich zu wundern. Ein reiches und verwöhntes Gör, das sich Mamas feine Sänfte und Träger ausborgt. Geschah das oft? Und wusste Mama, dass Gaia heute die Sänfte geklaut hatte? Wo war Mama? Wo war das Kindermädchen, das Gaia selbst im elterlichen Haus nicht von der Seite weichen sollte, ganz zu schweigen davon, wenn Gaia das Haus verließ? Wo, dachte der Vater in mir mit wenig Hoffnung auf eine ehrliche Antwort, war Gaias mit Ängsten belasteter Papa?
    »Keiner hört mir zu«, bemerkte sie. Bei den meisten Kindern ihres Alters hätte das den Eindruck reiner Bockigkeit erweckt; bei ihr klang es einfach resigniert. Sie war zu jung, um sich so sicher zu sein, dass sie nicht zählte.
    Ich gab nach. »Na gut. Willst du mir sagen, warum du gekommen bist?«
    Sie hatte das Vertrauen verloren. Vorausgesetzt, sie hatte je welches zu mir gehabt. »Nein«, antwortete Gaia.
    Ich stand mehrere Schritte unter ihr, konnte ihr aber immer noch in die Augen sehen. Ihr jugendliches Alter wäre für mich etwas Neues gewesen, hätte ich mich bereit erklärt, ihren Auftrag anzunehmen, aber für mich war die Zeit sinnloser Risiken vorbei. Durch meinen neuen mir von Vespasian verliehenen Posten, wie lächerlich er auch sein mochte, hatte sich mein gesellschaftlicher Status dramatisch verbessert; ich konnte mir keine exzentrischen Entscheidungen mehr leisten.
    Es gelang mir die Geduld zu finden, die man für Kinder aufbringen soll. »Wir streiten alle hin und wieder mit unseren Verwandten, Gaia. Manchmal zu Recht, aber meistens führt es zu nichts. Wenn du dich beruhigt hast und derjenige, der dich verärgert hat, ebenfalls ruhiger geworden ist, solltest du dich einfach entschuldigen.«
    »Ich habe nichts getan, wofür ich mich entschuldigen müsste.«
    »Ich auch nicht, Gaia, aber glaub mir, es ist immer das Beste,
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