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Eine Handvoll Worte

Titel: Eine Handvoll Worte
Autoren: Jojo Moyes
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alltäglich, unangemessen, über einen Hosenbügler geworfen; wie sie danach unter dem gemusterten Quilt des Hotels auf dem Boden wahnsinnig gekichert hatten; wie er am späten Nachmittag fröhlich und mit unangebrachtem Charme seinen Schlüssel bei der Empfangsdame abgegeben hatte.
    Zwei Tage später rief er an, als der euphorische Schock jenes Tages gerade in etwas eher Enttäuschendes überging.
    »Du weißt, dass ich verheiratet bin«, sagte er. »Du liest meine Artikel.«
    »Ich habe restlos alle Verweise auf dich bei Google abgefragt und gelesen«, sagte sie leise.
    »Ich war noch nie … untreu. Ich kann noch immer nicht ganz in Worte fassen, was passiert ist.«
    »Ich gebe der Quiche die Schuld«, scherzte sie und zuckte zusammen.
    »Du machst etwas mit mir, Ellie Haworth. Ich habe achtundvierzig Stunden lang kein Wort geschrieben.« Er machte eine Pause. »Bei dir vergesse ich, was ich sagen will.«
    Dann bin ich dem Untergang geweiht, dachte sie, denn sobald sie seine Nähe gespürt hatte, seinen Mund auf ihrem, hatte sie gewusst – trotz allem, was sie ihren Freundinnen jemals über verheiratete Männer gesagt hatte, woran sie je geglaubt hatte –, dass sie nur den leisesten Hinweis von ihm brauchte, dass er ihr gegenüber nur in etwa anerkennen musste, was geschehen war, und sie wäre verloren.
    Auch nach einem Jahr hat sie noch nicht angefangen, nach einem Ausweg zu suchen.
    Fast eine Dreiviertelstunde später ist er wieder online. Unterdessen hat sie den Computer stehen lassen, sich noch einen Drink gemacht, ist ziellos in der Wohnung herumgelaufen, hat ihre Haut in einem Spiegel im Bad unter die Lupe genommen, dann verstreute Socken eingesammelt und in den Wäschekorb gesteckt. Sie hört das »Ping« einer neuen Nachricht und lässt sich auf ihren Stuhl fallen.
    Tut mir leid. Sollte nicht so lange dauern. Hoffe, morgen reden zu können.
    Keine Anrufe, hat er gesagt. Handyrechnungen haben Einzelnachweise.
    Bist du jetzt im Hotel?, tippt sie rasch. Ich könnte dich in deinem Zimmer anrufen. Das gesprochene Wort war ein Luxus, eine seltene Gelegenheit. Herrgott, sie brauchte seine Stimme.
    Muss zu einem Dinner, meine Schöne. Tut mir leid – bin schon zu spät dran. Bis später x
    Und weg ist er.
    Sie starrt auf den leeren Bildschirm. Inzwischen wird er mit langen Schritten das Hotelfoyer durchqueren, die Empfangsdamen bezaubern und in einen Wagen steigen, der ihm von der Messeleitung zur Verfügung gestellt wird. Heute Abend wird er beim Dinner eine Rede aus dem Stegreif halten und dann wie üblich das belustigte, leicht schwermütige Gegenüber für alle sein, die so glücklich sind, an seinem Tisch zu sitzen. Er wird da draußen sein und sein Leben voll auskosten, während sie das ihre anscheinend dauerhaft zum Stillstand gebracht hat.
    Was zum Teufel macht sie?
    »Was zum Teufel mache ich?«, sagt sie laut und schaltet den Computer aus. Sie schreit ihren Frust an die Schlafzimmerdecke und wirft sich auf ihr großes, leeres Bett. Sie kann ihre Freundinnen nicht anrufen: Sie haben diese Unterhaltungen schon zu oft über sich ergehen lassen, und sie kann sich denken, wie deren Antwort lauten wird – wie sie nur lauten kann. Was Doug ihr gesagt hatte, war schmerzhaft. Aber umgekehrt würde sie ihnen allen dasselbe sagen.
    Sie sitzt auf dem Sofa und schaltet den Fernseher ein. Schließlich wirft sie einen Blick auf den Papierstapel neben sich, hievt ihn auf den Schoß und flucht auf Melissa. Ein Stapel Vermischtes, hatte der Bibliothekar gesagt, Artikel, die kein Datum trugen und keiner Kategorie zuzuordnen waren … »Ich habe keine Zeit, sie alle durchzusehen. Wir stoßen auf viele ähnliche Stapel.« Er war der einzige Bibliothekar unter fünfzig da unten. Flüchtig hat sie sich gefragt, warum er ihr bisher noch nie aufgefallen ist.
    »Schauen Sie, ob Sie davon irgendetwas gebrauchen können.« Er hatte sich verschwörerisch vorgebeugt. »Werfen Sie weg, was Sie nicht haben wollen, aber sagen Sie nichts dem Chef. Wir sind im Moment in dem Stadium, in dem wir es uns nicht leisten können, jedes einzelne Blatt Papier zu überprüfen.«
    Bald wird deutlich, warum: ein paar Theaterrezensionen, eine Passagierliste für ein Kreuzfahrtschiff, ein paar Speisekarten von diversen Festessen im Rahmen der Redaktion. Sie überfliegt sie und wirft hin und wieder einen Blick auf den Fernseher. Hier gibt es nicht viel, das Melissa begeistern wird.
    Jetzt blättert sie in einem Stapel, der nach Krankenakten
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