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Eine Handvoll Worte

Titel: Eine Handvoll Worte
Autoren: Jojo Moyes
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bewunderte sie ihn ein wenig dafür.
    Aber es ist in ihrer Phantasie hängengeblieben. Sie hat sich seine Frau vorgestellt: schlampig in einem verdreckten Nachthemd, ein kleines Kind an sich gedrückt, hält sie ihrem Mann eine Standpauke wegen eines vermeintlichen Mangels. Am liebsten hätte Ellie ihm gesagt, sie würde niemals so zu ihm sein.
    »Die Fragen könnte man einer modernen Kummerkastentante stellen.« Rupert, der Samstagsredakteur, beugt sich vor und späht auf die anderen Fotokopien.
    »Dessen bin ich mir nicht so sicher. Hör mal, wie die Antwort lautet: ›Vielleicht ist Ihrer Frau noch nie in den Sinn gekommen, dass sie in Ihrem Schaufenster ausgestellt werden soll. Falls sie überhaupt über so etwas nachdenkt, sagt sie sich womöglich, dass sie verheiratet, sicher und glücklich ist, warum sollte sie sich Mühe geben?‹ «
    »Aha«, sagt Rupert. »›Der tiefe, tiefe Friede des Doppelbetts‹.«
    »›Ich habe erlebt, dass es Mädchen, die sich verlieben, genauso bemerkenswert rasch passiert wie Frauen, die in der anheimelnden Verpackung einer langjährigen Ehe herumprötteln. Mal sind sie schick wie frische Farbe und kämpfen heroisch um eine schmale Taille und gerade sitzende Nähte, sorgsam mit Parfüm betupft. Irgendein Mann sagt ›Ich liebe dich‹, und schon wird aus diesem reizenden Mädchen fast ausnahmslos eine Schlampe‹.«
    Kurz ertönt höfliches, zustimmendes Gelächter.
    »Wofür entscheidet ihr euch, Mädels? Heroisch um die schlanke Taille kämpfen oder eine glückliche Schlampe werden?«
    »Ich glaube, ich habe vor Kurzem einen Film zu dem Thema gesehen«, sagt Rupert. Sein Lächeln versiegt, als er merkt, dass das Gelächter verstummt ist.
    »Mit dem Stoff können wir viel anfangen.« Melissa deutet auf die Mappe. »Ellie, kannst du heute Nachmittag ein bisschen herumsuchen? Vielleicht findest du noch was. Wir blicken vierzig, fünfzig Jahre zurück. Hundert wären zu befremdlich. Der Redakteur möchte gern, dass wir den Umzug in einer Weise beleuchten, die unsere Leser packt.«
    »Ich soll das Archiv durchforsten?«
    »Ist das ein Problem?«
    Nicht, wenn man gern in dunklen, mit schimmelndem Papier vollgestopften Kellern sitzt, die von gestörten Männern mit stalinistischer Denkart bewacht werden und offensichtlich seit dreißig Jahren kein Tageslicht mehr gesehen haben. »Ganz und gar nicht«, verkündet sie strahlend. »Ich bin mir sicher, dass ich etwas finden werde.«
    »Hol dir ein paar Hilfskräfte, die dich unterstützen, wenn du willst. Ich habe gehört, dass zwei im Modeschrank herumlungern.«
    Ellie sieht über die boshafte Befriedigung auf den Gesichtszügen ihrer Redakteurin hinweg bei dem Gedanken, den neuesten Trupp Anna-Wintour-Möchtergerns in die Innereien der Zeitung zu schicken. Ellie denkt nur, Mist, da unten ist kein Handy-Empfang.
    »Ach, übrigens, Ellie, wo warst du heute Morgen?«
    »Wie?«
    »Heute Morgen. Ich möchte, dass du den Artikel über Kinder und Verlust umschreibst. Ja? Niemand wusste anscheinend, wo du warst.«
    »Ich war unterwegs zu einem Interview.«
    »Mit wem?«
    Ein Experte für Körpersprache, denkt Ellie, hätte Melissas nichtssagendes Lächeln richtig als Knurren gedeutet.
    »Anwalt. Informant. Ich hatte gehofft, etwas über Sexismus in Anwaltskanzleien herauszufinden.« Sie hat es ausgesprochen, noch ehe ihr klar wird, was sie sagt.
    »Sexismus in der Stadt. Klingt nicht sehr originell. Sorg dafür, dass du morgen rechtzeitig an deinem Schreibtisch sitzt. Spekulative Interviews sind deine Privatsache. Ja?«
    »Okay.«
    »Gut. Ich möchte eine Doppelseite für die erste Ausgabe, die am Compass Quay erscheint. So etwas wie plus ça change. « Sie kritzelt in ihr ledernes Notizbuch. »Hauptbeschäftigungen, Kleinanzeigen, Probleme … Bring mir noch heute Nachmittag ein paar Seiten, und wir werden sehen, was du hast.«
    »Wird gemacht.« Ellie lächelt so strahlend und fachmännisch wie sonst keine im Raum, als sie hinter den anderen das Büro verlässt.
    Den heutigen Tag habe ich in einem neuzeitlichen Äquivalent des Fegefeuers verbracht, tippt sie, hält inne, um einen Schluck Wein zu trinken. Büro des Zeitungsarchivs. Willst du dich erkenntlich zeigen, erfindest du nur Zeug.
    Er hat ihr über sein Hotmail-Account eine Nachricht geschickt. Er selbst nennt sich Bürohengst; ein Scherz zwischen ihnen. Sie schiebt die Füße auf dem Stuhl unter sich, wartet und versucht, den Apparat kraft ihres Willens zu zwingen, seine Antwort zu
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