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Eine Handvoll Worte

Titel: Eine Handvoll Worte
Autoren: Jojo Moyes
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auch schon.«
    »Du lebst in einem schönen Universum, Doug. Schade nur, dass es dem echten nicht ähnlich ist.«
    »Okay, lass uns das Thema wechseln. Schlecht, so was nach ein paar Drinks anzusprechen.«
    »Nein.« Ihre Stimme wird schärfer. »In vino veritas und so. Ist schon gut. Wenigstens weiß ich jetzt, wie es dir damit geht. Und von hier aus kann ich allein weitergehen. Sag Lena einen schönen Gruß von mir.« Die letzten beiden Straßen bis zu ihrem Haus legt sie im Laufschritt zurück, ohne sich noch einmal zu ihrem alten Freund umzudrehen.
    Die Nation wird Kiste für Kiste eingepackt, um in das neue, verglaste Gebäude an einem gleißenden, urbanisierten Kai im Osten der Stadt umzuziehen. Das Büro ist von Woche zu Woche leerer geworden: Wo sich einst Presseerklärungen, Akten und archivierte Zeitungsausschnitte auftürmten, sind nur noch abgeräumte Schreibtische, unvermutet glänzende, laminierte Flächen dem kalten Schein der Neonröhren ausgesetzt. Andenken an vergangene Reportagen sind ans Tageslicht gekommen, wie Beutestücke aus einer archäologischen Ausgrabung, Flaggen von königlichen Jubiläen, verbeulte Metallhelme aus fernen Kriegen und eingerahmte Urkunden für längst vergessene Auszeichnungen. Überall liegen Kabel herum, Teppichfliesen sind entfernt, große Löcher in die Decken geschlagen worden, was theatralische Auftritte von Gesundheits- und Sicherheitsexperten und unzählige Besucher mit Klemmbrettern nach sich zog. Die Ressorts Werbung, Kleinanzeigen und Sport sind schon an den Compass Quay umgesiedelt worden. Die Samstagszeitschrift, Personal- und Finanzwesen bereiten sich auf ihren Umzug in den nächsten Wochen vor. Das Feuilleton, Ellies Abteilung, wird zusammen mit den Nachrichten folgen und in einer sorgfältig choreografierten Volte umziehen, sodass die Samstagsausgabe noch in den alten Büros an der Turner Street erscheinen wird, die Montagsausgabe wie durch Zauberei an der neuen Adresse.
    Das Gebäude, in dem die Zeitung fast hundert Jahre untergebracht war, sei nicht mehr zweckdienlich, so lieblos wurde es formuliert. Der Geschäftsleitung zufolge spiegelt es die dynamische, stromlinienförmige Natur moderner Nachrichtenerfassung nicht wider. Es hat zu viele Stellen, an denen man sich verstecken kann, bemerken die Zeitungsschreiber schlecht gelaunt, während sie von ihren Plätzen abgepflückt werden wie Napfschnecken, die sich hartnäckig an einen durchlöcherten Rumpf klammern.
    »Wir sollten es feiern«, sagt Melissa, die Ressortchefin des Feuilletons, aus ihrem fast leeren Büro. Sie trägt ein hellgrünes Seidenkleid. Bei Ellie hätte es ausgesehen wie das Nachthemd ihrer Großmutter; bei Melissa sieht es so aus, wie es ist – Haute Couture.
    »Den Umzug?« Ellie wirft einen Blick auf ihr Handy, das abgeschaltet neben ihr liegt. Die anderen Feuilletonisten um sie herum schweigen, Notizblöcke auf den Knien.
    »Ja. Gestern Abend habe ich mit einem der Bibliothekare gesprochen. Er sagt, es gibt jede Menge Akten, in die jahrelang kein Blick geworfen wurde. Ich möchte etwas auf den Frauenseiten, das fünfzig Jahre her ist. Wie Verhalten sich verändert hat, Mode, womit Frauen sich beschäftigt haben. Fallstudien, nebeneinander, damals und heute.« Melissa schlägt eine Akte auf und zieht verschiedene Fotokopien im A3-Format heraus. Sie spricht mit der Selbstsicherheit eines Menschen, der es gewohnt ist, dass man ihm zuhört. »Zum Beispiel aus unserem Kummerkasten: ›Was um alles in der Welt kann ich tun, damit meine Frau sich schicker anzieht und attraktiver macht? Mein Einkommen beträgt 1500 Pfund jährlich, und ich fange an, mich in einer Verkaufsorganisation hochzuarbeiten. Ich werde sehr oft von Kunden eingeladen, aber in den letzten Wochen musste ich ihnen ausweichen, weil meine Frau, ehrlich gesagt, grässlich aussieht‹.«
    Rundum wird leise gegluckst.
    »›Ich habe versucht, es ihr sacht beizubringen, und sie sagt, sie mache sich nichts aus Mode oder Schmuck oder Make-up. Offen gestanden, sieht sie nicht aus wie die Frau eines erfolgreichen Mannes, und das hätte ich gern von ihr‹.«
    John hat Ellie einmal gesagt, seine Frau habe nach den Kindern das Interesse an ihrer äußeren Erscheinung verloren. Er wechselte das Thema, sobald er es angeschnitten hatte, als hätte er das Gefühl, seine Worte seien ein noch größerer Betrug, als mit einer anderen Frau zu schlafen. Ellie ärgerte sich über diese Andeutung von männlicher Loyalität, andererseits
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