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Eine Geschichte von Liebe und Feuer

Eine Geschichte von Liebe und Feuer

Titel: Eine Geschichte von Liebe und Feuer
Autoren: Victoria Hislop
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lohnt, unser Leben zu riskieren?«
    Ohne Katerinas Antwort abzuwarten, drückte Dimitri die Eingangstür auf. Sie stürzte mitsamt dem Türstock krachend ein. Katerina hielt vor Schreck die Luft an und machte einen Satz nach vorn.
    Â»Keine Sorge, mir ist nichts passiert«, hörte sie Dimitri rufen. »Ich hab sie, agapi mou .«
    Kurz darauf tauchte er mit einer kleinen Truhe unterm Arm wieder auf und trat über den Schuttberg hinweg auf die Straße.
    Â»Lass sie mich tragen helfen«, sagte Katerina erleichtert, dass ihm nichts geschehen war.
    Ein paar Meter vom Haus entfernt stellten sie die Truhe ab. Der Eisenrahmen hatte dem Gewicht der eingestürzten Decke standgehalten, und als Katerina den Deckel lüftete, sah sie, dass der Inhalt nicht beschädigt worden war.
    Jetzt erhob sich allerdings ein anderes Problem. Aber die Frage, wo sie die Nacht verbringen sollten, war schnell gelöst. Das Haus alter Freunde war unversehrt geblieben, und sie stellten ihnen gerne ein Zimmer zur Verfügung. Dort lebten sie wochenlang, ohne jeglichen Besitz, in geborgter Kleidung und mit der geretteten Truhe in der Ecke.
    Das Dringlichste im Moment war Olgas Beerdigung. Ihr Tod war ein furchtbarer Schlag für die ganze Familie, aber Dimitri traf es besonders schwer. Er fühlte sich völlig gelähmt vor Schmerz. Auf ihre stille Art war Olga immer ein Fels in der Brandung für ihn gewesen, und selbst in den Jahren, als er in Kampfeinsätzen oder im Lager gewesen war, hatten ihm ihre Liebe und ihr Verständnis für die Sache, für die er eintrat, Sicherheit gegeben. Sie war nicht stark genug gewesen, um seinem Vater die Stirn zu bieten, aber das hatte er ihr nie übel genommen.
    Bei der Beisetzung sah Dimitri nur den glänzenden Sarg, der in die dunkle Gruft gesenkt wurde, während die übrige Welt hinter einem Schleier aus Tränen verschwand.
    Der Priester sang das Kyrie Eleison, und jedes der vier Familienmitglieder warf eine Blume ins Grab. Dann wurde der Marmordeckel geschlossen, auf den der Steinmetz bereits die Inschrift eingemeißelt hatte.
    Olga Komninou
    Geliebte Mutter von Dimitri
    Geschätzte Freundin von Katerina
    Geliebte Großmutter
von Theodoris und Olga
    Wir werden dich nie vergessen
    Es gab Hunderte Grabstätten auf dem Friedhof, die meisten gut gepflegt und aus dem gleichen hellen Marmor errichtet. Die Größe und Gestaltung spiegelten den Status der Familie wider, und die Gruft der Komninos, in der fünf Generationen die letzte Ruhe gefunden hatten, war von beträchtlichem Ausmaß.
    Etwas stach Katerina an diesem Tag ins Auge. An Leonidas Komninos’ Grab war ein Foto, das ihn in Offiziersuniform mit all seinen Orden zeigte. Obwohl es sich um eine formelle Aufnahme handelte, auf der er sicher streng wirken sollte, lächelten seine Augen. Doch es war nicht das Bild, das Katerina seltsam anmutete, sondern der Zweig wilder Rosen darauf verwunderte sie. Auf dem Grab daneben, in dem Dimitris Vater ruhte, lag keiner.
    Eine Woche später, als Olgas Testament eröffnet wurde, klärte sich das Rätsel auf.
    Die beiden Enkelkinder wurden großzügig bedacht, und Katerina bekam ein paar Schmuckstücke, die jahrelang in einem Banktresor gelegen hatten. Olga erbte ein Rubinhalsband mit so großen Steinen, dass keiner ihrer amerikanischen Freunde glauben konnte, dass sie tatsächlich echt waren. Dimitris Wunsch, keine Drachme vom Geld seines Vaters annehmen zu wollen, wurde respektiert. Das Geschäft war bereits verkauft, und mit dem Erlös sollte nun der Bau eines neuen Krankenhausflügels finanziert werden, eingedenk der Tatsache, dass Dimitri nicht hatte Arzt werden können.
    Es gab noch einen Zusatz zu dem Testament. Jeden Freitag, lautete die Anweisung, sollten frische Blumen aufs Grab von Leonidas Komninos gelegt werden. Näher erklärt wurde dies nicht. Dimitri wusste, dass seine Mutter den Mut ihres Schwagers bewundert hatte, und er selbst war in dem Bewusstsein aufgewachsen, dass sein Onkel ein ehrenvoller und tapferer Mann gewesen war, in jeder Hinsicht das Gegenteil seines Vaters.
    Am Abend nach der Verlesung des Testaments waren Dimitri und Katerina vollkommen erschöpft. Seit zehn Tagen hatten sie nun schon in der ganzen Stadt nach einer Wohnung und einer Werkstatt gesucht und wollten früh zu Bett gehen. Katerina saß in einem geliehenen Nachthemd auf der Bettkante, und Dimitri las
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