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Eine Geschichte von Liebe und Feuer

Eine Geschichte von Liebe und Feuer

Titel: Eine Geschichte von Liebe und Feuer
Autoren: Victoria Hislop
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vergeben würde, und nach der Rückkehr aus Gyaros hatte er sich damit abgefunden, niemals Arzt werden zu können. Lange Zeit sah es so aus, als würden die Machthaber es damit bewenden lassen.
    Â»Glaubst du, dass sie es mit unserer Tochter genauso machen?«, fragte Katerina ängstlich.
    Dimitri konnte nicht antworten. Er spürte, wie ihm die Wut auf die Männer, die jetzt an der Macht waren, die Kehle zuschnürte.
    Es war allgemein bekannt, dass unter dem neuen Regime Prüfungsergebnisse häufig geändert wurden und Kinder »unerwünschter Personen« schlechtere Noten bekamen, wäh rend Kandidaten, deren Eltern die »richtige Gesinnung« hatten, heraufgestuft wurden. Dimitri hatte sich sehr unauffällig verhalten und seit seiner Rückkehr von der Insel keine politischen Versammlungen besucht, aber er musste einsehen, dass seine Vergangenheit als Verbrechen galt und seine Kinder dafür büßen müssten. Die gleiche Diskriminierung erlebten Universitätsprofessoren, die entlassen wurden, wenn sie als Linke bekannt waren. Wer als Professor Karriere machen wollte, hielt Vorlesungen über Patriotismus und die Nationale Revolution.
    Â»Selbst wenn er einen Studienplatz bekäme«, sagte Katerina, »was würde er denn jetzt an der Uni zu hören kriegen? Sie haben doch alle guten Leute rausgeworfen.«
    Aber beide wussten, dass es eine Lösung gab. Dimitris Mutter wollte das Studium ihrer Enkel bezahlen und konnte es sich leisten, die beiden nach Übersee zu schicken. Das Thema war Gegenstand endloser Diskussionen und brachte Mutter und Sohn oft an den Rand heftiger Auseinandersetzungen.
    Â»Ich verstehe, warum du das Geld deines Vaters nicht annehmen willst, Dimitri«, sagte Olga. »Aber es gibt keinen Grund, warum deine Kinder nicht davon profitieren sollten.«
    Die junge Olga kam nun mit neuen Schulbüchern heim, die von der Junta abgesegnet worden waren.
    Â»Schau dir das an, Papa«, sagte sie und deutete auf die Einleitung der neuen Auflage. Dann las sie laut vor: »Am 21. April ergriffen Offiziere die Initiative, um unser Land vor dem erneuten Zerstörungsversuch der Kommunisten zu bewahren.«
    Â»Das ist Unsinn«, sagte Dimitri. »Kompletter Unsinn.«
    Am Abend, als Dimitri und Katerina allein waren, sprach Katerina das Thema direkt an.
    Â»Was für einen Sinn soll ihre Ausbildung denn haben, wenn sie bloß mit solchen Lügen vollgestopft werden?«
    Dimitri wusste, worauf das Gespräch hinauslaufen würde, was ihn mit großem Unbehagen erfüllte.
    Â»Du hast dein Studium nicht abschließen können, aber warum sollten wir unseren Kindern das nicht ermöglichen …«
    Dimitri schwieg.
    Â»Und du weißt, was letzte Woche einer Mitschülerin von Olga passiert ist?«
    Anthoula, eine von Olgas Freundinnen, hatte einen Witz über die Obristen erzählt. Ein anderes Mädchen hatte ihn ihrem Vater, einem Offizier, weitererzählt, und am nächsten Tag wurde Anthoula von der Schule verwiesen.
    Â»Ja, das weiß ich. Es ist eine Schande.«
    Â»Wir sollten ihnen eine Chance geben, selbst wenn es schmerzlich für uns ist …«
    Sie bemerkte die Trauer in seinen Augen. Er liebte seine Kinder genauso sehr wie sie, aber gerade dies bestärkte sie in ihrem Entschluss, ihn zu überzeugen, dass sie Thessaloniki verlassen sollten.
    Â»Ich weiß, dass du recht hast«, sagte er und blickte auf. »Aber ich würde alles daransetzen, sie hierzubehalten.«
    Ein paar Tage später kam der Premierminister Georgios Papadopoulos in die Stadt und hielt eine Rede in der Universität. Dimitri und Katerina hörten im Laden die Radioübertragung.
    Â»Die Universität muss das Zentrum der geistigen Erneue rung des Landes sein. Lehrer müssen die Nation anführen, und die moralische Ordnung muss wieder der leitende Gedanke sein und den Rahmen für das menschliche Leben bilden. Wir müssen wieder zu den Einstellungen zurückkehren, die vor der Verletzung von Moral und sozialer Ordnung geherrscht haben.«
    Â»Ich kann das nicht mehr hören«, schrie Dimitri. »Diesen unerträglichen Propagandamist!«
    Â»Scht, Dimitri!«
    Katerina griff zum Radio hinauf und suchte einen anderen Sender. Sie konnten nie sicher sein, was ihre Kunden dachten, und es war gefährlich, sich so offen gegen das Regime zu stellen. Jetzt plärrte Militärmusik aus dem
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