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Eine Geschichte von Liebe und Feuer

Eine Geschichte von Liebe und Feuer

Titel: Eine Geschichte von Liebe und Feuer
Autoren: Victoria Hislop
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schlimmerer Schlag für sie als der Tod ihrer leiblichen Mutter.
    Â»Aber sie war doch erst neunundsechzig«, schluchzte ihre Tochter Olga. Zwar starben damals viele Frauen in diesem Alter, aber beide Enkel waren davon ausgegangen, dass Eugenia genauso lange leben würde wie Pavlina. Das kleine Haus mit dem halb fertigen Teppich auf dem Webstuhl wirkte vollkommen verwaist ohne ihre Gegenwart. Monatelang brachten Katerina und Dimitri es nicht über sich, den Webstuhl wegzuschaffen, obwohl er die Hälfte des Raums einnahm.
    Wenn es je einen passenden Moment für einen Umzug geben sollte, war er jetzt gekommen. Die Kinder drängten darauf, die Irinistraße zu verlassen und in ein modernes, geräumigeres Haus zu ziehen. Ihre Eltern hätten es doch viel leichter, wenn sie in einer Wohnung direkt über dem Geschäft lebten, aber Katerinas und Dimitris sentimentale Verbundenheit mit der Irinistraße war viel tiefer, als ihre Kinder je ahnen konnten.
    Sie mieteten einen Laden in der Nähe als Ausstellungsfläche für ihre Möbel, wohnten aber weiterhin in dem kleinen Haus und benutzten das Nachbarhaus als Werkstatt. Es gefiel ihnen, dass ihre Kinder, genau wie sie selbst früher, auf der Straße spielen konnten, ohne Gefahr zu laufen, von einem Auto überfahren zu werden.
    Das Land erlebte inzwischen einen wirtschaftlichen Aufschwung. Griechenland war wieder auf die Beine gekommen, und Katerinas und Dimitris Geschäft profitierte davon.
    Trotz allem blieben die politischen Verhältnisse instabil. Die rechtsgerichtete Regierung vertrat weiterhin die Auffassung, dass die Kommunisten eine ernste Bedrohung für das Land darstellten. 1967 wurden mehrere sozialistische Führer verhaftet, denen die Planung eines Staatsstreichs vorgeworfen wurde, obwohl es keinerlei Beweise dafür gab. Dimitri verfolgte diese Entwicklung mit wachsender Besorgnis und wurde von Albträumen geplagt, in denen er sich wieder im Gefangenenlager auf Makronisos sah. Katerina wachte in so mancher Nacht auf und sah ihren Mann zitternd vor Angst auf dem Bettrand sitzen.
    Â»Sie sagen, es besteht die Gefahr, dass es wieder einen Bürgerkrieg gibt«, sagte Katerina eines Tages, nachdem sie im Laden den ganzen Tag Radio gehört hatte.
    Â»Das sind doch nichts als Lügen«, erwiderte Dimitri wegwerfend. »Reine Erfindung.«
    Am späten Nachmittag stürmte Theodoris durch die Tür. Er machte in diesem Jahr sein Abschlussexamen und war zum Lernen länger in der Schule geblieben.
    Â»Papa! Mama!«, rief er aufgeregt. »Habt ihr die vielen Soldaten gesehen? Es sind Hunderte auf der Egnatiastraße. Was ist los?«
    Unter dem Vorwand, das Land vor der Übernahme durch die Kommunisten zu retten, hatte die Armee geputscht. Jetzt waren die Obristen an der Macht.
    Es war nicht das erste Mal, dass Katerina und Dimitri einen Militärputsch erlebten, und der Terror, der damit einhergehen konnte, war ihnen nur zu gut bekannt.
    Beide Kinder waren eifrige Schüler und hatten immer sehr gute Noten. Von seinen Lehrern ermutigt, die nur wenige so intelligente Kinder unterrichten durften, träumte Theodoris davon, Jura zu studieren. Er zeigte sich bei Aufsätzen und auch rhetorisch sehr begabt und hatte überhaupt eine sehr schnelle Auffassungsgabe. Dimitri behielt seine Meinung über den Berufswunsch seines Sohnes für sich. Vielleicht war es unvermeidlich, dachte er, dass bei dem Jungen Züge seines verstorbenen Großvaters zum Vorschein kamen.
    Im Juli, als die Prüfungsergebnisse in der Schule ausgehängt wurden, erlebte Theodoris die bitterste Enttäuschung seines Lebens. Seine Noten lagen unterhalb des Klassendurchschnitts. Verstört lief er nach Hause und verkroch sich in seinem Zimmer.
    Vom Hinterhof aus, wo sie etwas Luft schöpfen wollten, hörten seine Eltern ihn schluchzen. Sie wussten sofort, was geschehen war.
    Â»Er ist so intelligent und hat so hart gearbeitet«, sagte Katerina fassungslos. »Wie konnten sie ihm das nur antun?«
    Â»Ich fürchte, sie können jetzt machen, was sie wollen«, antwortete Dimitri. Er war bleich vor Traurigkeit und Wut.
    Beide wussten, dass Theodoris’ Noten wegen der Vergangenheit seines Vaters herabgestuft worden waren. Das war nicht ungewöhnlich. Dimitris Gefängnisaufenthalt fiel jetzt auch auf seine Kinder zurück. Ihm war klar, dass man ihm seine Verbindung mit der kommunistischen Partei nie
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