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Eine Frau mit Geheimnis

Eine Frau mit Geheimnis

Titel: Eine Frau mit Geheimnis
Autoren: JOANNA MAITLAND
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ehrbarer, patriotischer Franzose hatte er die wahre Identität des Kindes natürlich nicht verraten. Nicht einmal diesem englischen Duke, der das Gasthaus vor dem Feuer gerettet hatte. Immerhin waren die Engländer die Feinde Frankreichs – und verantwortlich für das Exil des Kaisers.
    Angewidert schnaufte der Wirt. Dann lächelte er. Sicher war es richtig gewesen, dem Duke einen falschen Namen zu nennen und zu behaupten, das Kind würde nach Paris reisen. Inzwischen fuhr das Mädchen in eine ganz andere Richtung.
    Dominic ging zu den Pferden, die im Hof festgebunden waren, möglichst weit von der verkohlten Ruine des Stalls entfernt. In der Luft lag immer noch der Geruch des Rauchs, machte die Tiere nervös, und mehrere Reitknechte versuchten sie zu beruhigen.
    Würde er die junge Frau auf einem schnellen Pferd einholen? Allzu weit konnten die Durands noch nicht gekommen sein. Falls sie nicht zu früher Stunde mit der Postkutsche abgereist waren – und das würde nicht zur Familie eines Kaufmanns passen.
    Er beschloss ein Pferd satteln zu lassen. Aber dann entsann er sich, wo er war und welche Aufgabe er erfüllen musste.
    Vorerst durfte er Boulogne nicht verlassen. Nicht einmal für eine Stunde. Er musste den Auftrag ausführen, den der Außenminister Lord Castlereagh ihm erteilt hatte. Gewiss, Seine Lordschaft war ihm mit äußerster Höflichkeit begegnet. Trotzdem hatte er mit sanfter Stimme betont, die Instruktionen müssten unter allen Umständen befolgt werden.
    „Im Grunde ist es ganz einfach“, hatte Lord Castlereagh erklärt. „Während Zar Alexanders Besuch in London gehören Sie seinem Stab an. Natürlich wird am russischen Hof französisch gesprochen. Diese Sprache beherrschen Sie wie ein Einheimischer, Sir, also wird es da keine Probleme geben. Sie werden alles tun, was in Ihrer Macht steht, um den Aufenthalt des Zaren in London möglichst angenehm zu gestalten. Außerdem werden Sie darauf achten, dass kein Mitglied seiner Entourage in Schwierigkeiten gerät.“
    „Im Grunde, Sir? Also steckt noch mehr dahinter?“
    Lord Castlereagh hatte freudlos gelächelt. „Soeben haben Sie demonstriert, warum ich Sie für diese Aufgabe ausgewählt habe, Calder. In der Tat, da steckt mehr dahinter. Was den Zaren betrifft, ist unsere Regierung ein wenig beunruhigt. Gewiss, er ist ein fähiger Mann. Leider müssen wir befürchten, dass er mit Englands Feinden paktiert. Zum Beispiel können wir uns vorstellen, wie unglücklich er über Prinzessin Charlottes geplante Heirat mit dem Prinzen von Oranien ist. Möglicherweise sucht er diese Ehe zu verhindern, denn er weiß, welch großen Wert wir auf eine Marine-Allianz mit Holland legen. Wahrscheinlich wird er es vorziehen, wenn die Erbin des englischen Throns einen mittellosen Aristokraten heiratet. Der Prinzregent bietet ihm seine Gastfreundschaft an, damit wir alle Besucher des Zaren im Auge behalten können. Darauf werden auch Sie achten, Calder, direkt vor Ort.“
    „Wenn der Zar so scharfsinnig ist, wie wir das annehmen, Sir – wird er die Dienste eines britischen Verbindungsoffiziers nicht ablehnen?“
    „Das könnte er versuchen. Aber ich versichere Ihnen, Duke, es wird ihm misslingen.“
    Und der Außenminister hatte recht behalten. Sonst wäre Dominic jetzt nicht in Boulogne, ein Mitglied des Stabs, der den Zaren während seiner Reise nach England betreute. Wenigstens hatte er, bevor er seine Mission antrat, genug Zeit gefunden, um heimzukehren nach Aikenhead Park. Nachdem er so viele Monate allein in Frankreich verbracht und für die britische Regierung spioniert hatte, war die erholsame Atempause hochwillkommen gewesen.
    In Aikenhead Park hatte er seinen jüngsten Bruder Jack angetroffen. Trotz des Altersunterschieds von zwölf Jahren – Jack war erst vierundzwanzig – standen sie sich sehr nahe. Vor allem, seit Jack der Vierte im Bunde des kleinen Spionageteams geworden war, der Aikenhead Honours. Mit sechsunddreißig der älteste Bruder, fungierte Dominic – genannt das „Ass“ – als Anführer. Leo, zwei Jahre jünger, war der „König“. Und den „Buben“ repräsentierte Jack. Immer wieder amüsierte sich Dominic, weil dieser Name so gut zu dem Jungen passte. Jacks Busenfreund Ben Dexter war die „Zehn“. Nur die „Dame“ fehlte den Aikenhead Honours. Bisher hatte Dominic keine Frau gefunden, der sie ihre Geheimnisse anvertrauen konnten. Außerdem mussten sie sehr oft gefährlich Aktionen ausführen. Einer Frau durfte man das nicht
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