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Eine Frau geht ihren Weg

Eine Frau geht ihren Weg

Titel: Eine Frau geht ihren Weg
Autoren: Julia Howard
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andächtigem Staunen und drehte sich zu Daniel Huntingdon um, der hinter seinem schweren Schreibtisch Platz genommen hatte und sie mit seltsamem Gesichtsausdruck ansah. Er lächelte, und Sybil bemerkte überrascht, wie die harten Linien seines Gesichts auf einmal weich wurden und sich seine Züge erhellten. Mit seiner markanten Nase entsprach er keineswegs dem landläufigen Schönheitsideal, aber für Sybil war er in diesem Moment der attraktivste Mann, der ihr je begegnet war.
    „Meistens fallt meinen Besuchern die Aussicht auf den Hafen gar nicht auf”, stellte er fest, während er durch die getönten Scheiben auf die Schiffe hinunterblickte. „Aber ich kann besser arbeiten, wenn ich mich nicht durch vier Wände eingeengt fühle.”
    Sybil nickte lächelnd. Doch dann merkte sie plötzlich, dass sie auf dem besten Weg war, seinem unerwarteten Charme zu erliegen und beeilte sich, das Gespräch wieder in geschäftliche Bahnen zu lenken.
    „Sogar kleine Fenster steigern die Leistungsfähigkeit. Haben Sie in dem Betrieb in National City auch Fenster?”
    Sofort wurde Daniel Huntingdon wieder nüchtern, und Sybil bedauerte fast ein wenig, wie erfolgreich ihre Taktik gewesen war.
    „Nein, unser Fabrikgebäude hat keine Fenster”, antwortete er. „Es wurde zu einer Zeit errichtet, in der dies als überflüssig galt. Und da es die Erfordernisse unserer Gesellschaft noch recht gut erfüllt, hoffe ich nicht, dass Sie uns einen Neubau vorschlagen werden.”
    „Ich bezweifle, dass wir das tun werden”, entgegnete Sybil. „Wir finden so gut wie nie ideale Bedingungen vor und sind daran gewöhnt, mit dem geringstmöglichen Aufwand optimale Ergebnisse erzielen zu müssen. Könnte ich jetzt die Produktionszahlen des letzten Monats sehen?”
    Huntingdon schwieg einen Moment, bevor er ihr einen Stapel Papiere reichte. „Die Werte sind gegenüber dem Vormonat nur geringfügig gesunken. Aber meine Berater sind trotzdem der Meinung, wir müssten etwas unternehmen, um sie wieder zu steigern.”
    „Und ich soll herausfinden, wie das geschehen soll?”
    „Genau.”
    Während der Fahrt nach National City hatte Sybil Schwierigkeiten, ein sachliches, geschäftliches Gespräch in Gang zu halten. Aber trotz ihrer Bemühung um Distanz, redeten sie sich plötzlich mit den Vornamen an, was Daniel dazu veranlasse, Sybil ziemlich persönliche Fragen zu stellen. Und obwohl sie den meisten höflich auswich, gelang es ihm doch, ihren Familienstand herauszufinden.
    Etwas später, als sie nebeneinander durch die verschiedenen Abteilungen der Fabrik gingen, kostete es Sybil große Anstrengung, sich auf die Gespräche mit den Abteilungsleitern zu konzentrieren. Irgendwann merkte Daniel, dass er sie ablenkte, und blieb von da an im Hintergrund, wenn sie mit den Männern sprach.
    Ihr letztes Gespräch führte sie mit Mr. Johnson, dem Vorarbeiter der Spätschicht, der unter schwierigsten Bedingungen eindrucksvolle Arbeit geleistet hatte. Er war ein gutaussehender junger Mann mit erfrischendem Humor, und mehr als einmal lachten die beiden während der Unterhaltung vergnügt auf.
    Als Sybil einmal zufällig zu Daniel hinübersah, der mit verschränkten Armen einige Meter entfernt abwartend dastand, fielen ihr seine zusammengezogenen Brauen und sein finsterer Blick auf. Da Sybil annahm, es missfiel Daniel, den passiven Zuhörer spielen zu müssen, bedeutete sie ihm, sich zu ihnen zu gesellen und stellte ihm den Vorarbeiter vor.
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    Er schüttelte dem jungen Mann zwar die Hand und wechselte ein paar höfliche Worte mit ihm, doch Sybil sah an seiner düsteren Miene, dass er nicht gerade bester Stimmung war. „Sind Sie bald fertig?” fragte er Sybil knapp.
    „Ich wollte Ihnen gerade sagen …” Der harte Ausdruck seiner Augen brachte sie unvermittelt zum Schweigen. Daniel war böse auf sie - aber warum nur?
    Mr. Johnson, der noch immer bei ihnen stand, trat nervös von einem Fuß auf den anderen. „Ich werde Ihnen den Bericht am Montag bringen, Madam”, versprach er rasch.
    „Was ist das für ein Bericht?” erkundigte sich Daniel unwirsch.
    Der junge Mann öffnete den Mund, brachte aber keinen Ton heraus.
    „Mr. Johnson wird beschreiben, was er in seinem Arbeitsbereich unternommen hat, um die Produktionsergebnisse vor einem weiteren Absinken zu bewahren. Ein solcher Bericht ist für mich informativer als das ausführlichste Gespräch”, erklärte Sybil.
    „Bis wann können Sie ihn erstellen, Johnson?” wandte sich Daniel
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