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Eine Frau für Caracas

Eine Frau für Caracas

Titel: Eine Frau für Caracas
Autoren: Horst Biernath
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immer eine gewisse Angst. Mein Typ ist derber, handfester und robuster im Geiste und im Fleisch. Ich brauche eine Frau für Caracas! Das heißt, sie muß einen ziemlich hohen Schmelzpunkt haben...«
    »Ich kenne deinen Typ, Brüderchen!« sagte Gerda und warf Werner einen hintergründigen Blick zu. Sie erhob sich und ging quer durch das Zimmer zu der Fensterbank, wo sie bei einer Clivia ein welkes Blatt entdeckt hatte. Sie knipste es ab und legte es neben den Blumentopf.
    »Hast du denn drüben gar keine Gelegenheit, Frauen kennenzulernen?«
    Er grinste: »Dutzende, mein Herzchen, aber leider nicht solche, die man heiraten könnte oder heiraten möchte.«
    »Ich verstehe«, hüstelte Gerda und zupfte auch aus einem Topf mit blauen Usambaraveilchen ein paar abgestorbene Blütenstengel heraus.
    »Nein, du verstehst es eben nicht«, sagte er lachend, »denn dazu müßte ich dir einen dreistündigen Vortrag über die sozialen und gesellschaftlichen Verhältnisse Venezuelas halten. Es gibt in Caracas natürlich ausgezeichnete Familien mit Töchtern, die strenger vor den Gefahren der bösen Welt bewahrt und behütet werden als hierzulande die Novizen eines Nonnenklosters. Ich persönlich habe nichts gegen behütete Töchter, aber es stört mich ein bißchen, daß man mit der Tochter die ganze Familie mit sämtlichen Verwandten in auf- und absteigender Linie mitheiratet.«
    »Oh, ich verstehe!« sagte Gerda zum zweitenmal .
    »Du ahnst es vielleicht, was das bedeutet«, meinte er mit einem kleinen Seufzer, »und deshalb kommt für mich nur eine Frau mit normalem Anhang in Frage. Ich gönne ihr von Herzen, daß sie Vater und Mutter, ein Dutzend Brüder und Schwestern und gesunde Großeltern von beiden Seiten hat. Aber ohne Verbindlichkeiten für mich!«
    »Es scheinen drüben wirklich ganz andere Verhältnisse zu herrschen«, murmelte Gerda. »Aber jetzt mußt du mich für ein paar Minuten entschuldigen. Es gibt Kalbsschnitzel mit Pilzen und Reis zum Abendessen. Das hast du doch früher so gern gemocht...«
    »Ach, Gerda, ich habe von Kalbsschnitzeln mit Champignons zehn Jahre lang Nacht für Nacht geträumt. Laß um Himmels willen die Soße nicht anbrennen!«
    »Keine Sorge, ich kann mich auf Christine verlassen. Nur die Soßen mache ich lieber selbst. Da fehlt ihr noch...«, sie rieb den Daumen gegen den Zeigefinger, als streue sie die entscheidende, Prise Salz über das Gericht, »das gewisse Etwas.«
    »Halten Sie bitte vor dem nächsten Delikatessengeschäft, Frau Eyssing, wenn Sie eine Parkmöglichkeit finden«, bat Lothar Dyrenhoff. »Wie ich meinen Schwager Werner kenne, ist er kein Freund von Traurigkeit und sagt niemals nein, wenn man ihm einen Schnaps anbietet. Und ich kann ihn schließlich nicht dafür büßen lassen, daß ich trockengelegt bin.«
    Anita Eyssing stoppte nach kurzer Zeit, Dyrenhoff kletterte aus dem Wagen und kam nach ein paar Minuten mit zwei Flaschen unter dem Arm zurück.
    »Was sagen Sie zu meinem Schwager? Was für einen Eindruck hat er auf Sie gemacht? Immer noch der alte Luftikus?«
    »Ich werde mich hüten, ein Urteil abzugeben!« sagte sie mit einem kleinen Lachen, »aber unter einem Luftikus stelle ich mir etwas anderes vor. Ich finde, er steht mit beiden Beinen auf der Erde...«
    »Na, ich bin ja gespannt! Und das Armband, das er meiner Frau mitgebracht hat, ist wahrhaftig echt?«
    »Na, hören Sie einmal!« sagte sie belustigt.
    »Erstaunlich!« murmelte er, »es geht jedenfalls gegen jede Erfahrung. Wer zum Windhund geboren ist, wird doch kein Bernhardiner? Oder?«
    »Keine Regel ohne Ausnahme...«
    »Na, mich sollte es freuen. Er hat uns Sorgen genug gemacht. Und ehrlich gesagt, als er ‘ rüberging , habe ich ihn abgeschrieben...«
    »Was hat er nun eigentlich angestellt?« fragte Anita Eyssing leicht amüsiert, aber fast gleichzeitig mit ihrer Frage hob sie die Hand abwehrend empor: »Bitte, ich will mich natürlich nicht in Ihre Familiengeheimnisse drängen!«
    »Mehr Blamage als Geheimnis. Ich ärgere mich nur, daß auch ich darauf hereingefallen bin.«
    »Blamage? Warum?«
    »Kennen Sie zufällig >Willis Werdegang< von Rideamus ?«
    »Ich habe noch nie davon gehört.«
    »Ich werde Ihnen das Bändchen gelegentlich geben. Es ist ziemlich zerfleddert. Es gehört nämlich zu meiner Lieblingslektüre...«
    »Ich verstehe nur nicht, was dieses Buch mit Ihrem Schwager zu tun haben soll...«
    »Ganz einfach. Es lieferte ihm das Rezept.«
    Anita Eyssing hob, ohne den Blick von der
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