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Eine Frau für Caracas

Eine Frau für Caracas

Titel: Eine Frau für Caracas
Autoren: Horst Biernath
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Fahrbahn zu lassen, fragend die Augenbrauen.
    Und Dyrenhoff zitierte: »Es war zu Tölz in der Sommerfrische, Papa und Willi saßen bei Tische; da sagte Willi, dem Weinen nah: Papa, du wirst jetzt Großpapa!«
    »Entschuldigen Sie, Herr Doktor, aber was soll das?«
    »Mit diesen Worten beginnt das dritte Kapitel des Bändchens. Und den Tränen nah gestand auch mein holder Schwager Werner eines Tages seinen sehr bestürzten Eltern, daß sie demnächst Großeltern würden.«
    »Ach...!« sagte sie überrascht.
    Dyrenhoff nickte ihr zu: »Sie können sich wahrscheinlich denken, wie diese Nachricht einschlug. Besonders bei meinem Schwiegervater. Mütter sind ja bei derlei Geschichten erstaunlich gefaßt. Und meine liebe Frau nahm das freudige Ereignis auch nicht besonders tragisch. Sie hatte für ihren Bruder Werner immer eine Schwäche. — Also, was blieb Werners Vater anderes übrig, als für sein Enkelkind und zunächst auch noch für die Mutter dieses Sprößlings zu sorgen? Sie war übrigens Verkäuferin in einem Lampengeschäft...«
    »Nun ja, gerade erfreulich ist so etwas nicht«, gab Anita Eyssing leicht betroffen zu, »aber so etwas soll ja gelegentlich Vor kommen. Was ist aus dem Kinde inzwischen geworden?«
    »Es starb mit zwei Jahren«, antwortete Dyrenhoff mit Grabesstimme.
    »Das arme Würmchen...!«
    »Ja, das arme Würmchen!« meckerte Dyrenhoff. Sein Gelächter war für einen Mann, der selber Vater von drei Kindern war, so befremdend, daß Anita Eyssing es riskierte, ihm einen erstaunten Blick zuzuwerfen.
    »Das Kind hat nämlich nie existiert!« knurrte er grimmig. »Mein lieber Schwager in seinen ewigen Geldnöten hatte es frei nach Rideamus erfunden, um sich eine recht einträgliche Nebeneinnahme zu verschaffen. Mein Schwiegervater hat sogar noch die Beerdigungskosten bezahlt, und wir haben Werner das Geld für einen Kranz gegeben! — Und Sie behaupten, er hätte sich inzwischen geändert... Na, da bin ich aber wirklich gespannt darauf!«

    Ein Hupensignal erscholl , das drei Buben zur Seite scheuchte, die auf dem Weg zur Garage nach einem Pappendeckel schossen, den Berndi aufs Garagentor genagelt hatte. Der Bogen wanderte von Hand zu Hand, und der Knabe Bernd machte glänzende Geschäfte. Für zehn Schuß nahm er seinen Freunden einen Apfel oder pro Schuß einen Pfennig ab.
    Werner ging seinem Schwager Lothar Dyrenhoff entgegen. In der Diele schüttelten sie sich die Hände, klopften sich auf die Schultern und schoben einander zwecks besserer Betrachtung auf Armeslänge voneinander fort. Dyrenhoff war jetzt einundfünfzig, und er hatte wirklich zwanzig Pfund zuviel auf den Rippen und unter der Weste. Der Scheitel begann sich stark zu lichten, und die Bräune, die er aus einem kurzen Urlaub in Fulpmes mitgebracht hatte, täuschte nicht darüber hinweg, daß er zuviel Büroluft atmete und sich zuwenig bewegte.
    »Donnerwetter, Werner, was du für ein Kerl geworden bist! Und dabei keine Spur von Bauch oder Speck, lauter trockenes Fleisch... Und nun schau mich an! Eine Schande, wie deine Schwester mich herausgefüttert hat!«
    » Laß nur, Dickerchen, ich mag dich genauso, wie du bist.«
    »Dickerchen! Hör dir das an! Aber ich bringe das Gewicht herunter!«
    »Ich würde an deiner Stelle zu Fuß ins Büro gehen...«
    »Halt die Klappe, mein Junge, wenn du nichts Gescheiteres weißt als das, was mir die Ärzte täglich predigen.« Er zog Werner in sein Zimmer hinüber. »Zigarre oder Zigarette?«
    »Wir essen in zehn Minuten!« rief Gerda ihnen nach.
    »Dann also Zigarette. Obwohl man sich das verdammte Rauchen auch abgewöhnen sollte. Diese Teerstoffe... Na ja! Aber nun erzähl einmal! Was macht Venezuela und wie lebst du drüben? Deine Briefe... Nun, ich bin allerdings der letzte, der dir Vorhaltungen wegen Schreibfaulheit machen kann. Familienpost ist Gerdas Sache...«
    Werner beobachtete Dyrenhoff belustigt. Lothar hatte sich nur in der Figur verändert, sonst war er der alte geblieben: nervös, sprunghaft und lebhaft im Sprechen und in seinen Gebärden.
    »Du scheinst ja drüben klotzig zu verdienen. Frau Eyssing erzählte mir von dem Armband, das du Gerda mitgebracht hast. Es muß ja ein kleines Vermögen gekostet haben.«
    »Man verdient drüben wirklich viel. Aber man gibt es auch wieder aus. Du würdest dich neben deinen Stuhl setzen, wenn ich dir erzähle, was man im Humboldt-Hotel für ein Zimmer oder in der Bar für einen Whisky-Soda zahlt. Dafür lade ich hier eine ganze Gesellschaft ein.
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