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Eine eigene Frau

Eine eigene Frau

Titel: Eine eigene Frau
Autoren: L Lander
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erwachsen sich seine Tochter vor den Augen anderer Leute zu benehmen weiß.
    Die passende Gelegenheit bietet sich schließlich am Hermanstag, wenn die Arbeitskollegen des Vaters zusammenkommen, um ihm zu gratulieren. Auch Saida hat sich dafür feinmachen dürfen, aber nicht einmal das hellblaue Herrenhauskleid und die weiße Schürze sind ihr gut genug.
    Als die Mutter kurz etwas erledigen geht, rollt Saida vor dem Kommodenspiegel ihre Zöpfe auf und steckt sie mit Haarspangen der Mutter fest. Darüber befestigt sie noch ein Taschentuch, sodass es an eine Serviererin erinnert. Schließlich wird die Dienstmädcheneleganz von den langen Handschuhen gekrönt, die Tante Betty vergessen hat und die von der Mutter seitdem in der Kommodenschublade aufbewahrt werden.
    Der Weg mit der schweren Kanne ist lang. Im Augenwinkel sieht Saida schon ihre Mutter die Treppe zum Garten herunterkommen. Zu Saidas Erleichterung fällt der Mutter etwas Unkraut im Rhabarberbeet neben der Treppe auf, worauf sie sich bückt und es ausreißt, bevor die Gäste die Vernachlässigung des Beetes sehen. Mit krummem Oberkörper eilt das Mädchen zu dem Tisch unter der Eiche. Die Männer lärmen auf ihre übliche Art und hamstern Scheiben des Hefezopfs, der herumgereicht wird. Nur Verwalter Sundberg in seinem grauen Anzug mit Weste richtet seine Aufmerksamkeit auf Saidas Ankunft. Er stützt sich auf seinen Spazierstock, lüftet den Hut und nickt dem Kind zu.
    »Sieh an, sieh an. Da kommt ja meine feine Braut! Und wie hübsch angetan! Das kleine Fräulein wird sich doch nicht die Finger verbrennen?«
    Saida schüttelt den Kopf. Sie glüht vor Aufregung, als sie sich dem Tisch nähert. Herman bemerkt nichts von dem anspruchsvollen Vorhaben seiner Tochter. Er hält eine Festrede, die sich in die Länge zieht und in für ihn typischer Manier in eine Predigt übergeht. Enttäuscht stellt Saida fest, dass der Vater bereits jenen ekstatischen Zustand erreicht hat, in dem er kaum noch wahrnimmt, was um ihn herum geschieht. Sie stellt die schwere Kanne auf der Erde ab und wartet, bis der Vater mit seiner Predigt über den guten und den schlechten Gärtner zum Ende kommt.
    »Ja, und wie ich von meinem Schwiegervater, dem Gärtner des Herrenhauses Joensuu, gehört habe, hatte General Kustaa Mauri Armfelt besonders viel für den Garten und dessen Freuden übrig. Die Vorgänger meines Schwiegervaters durften Briefe entgegennehmen, die von Schlachtfeldern und Höfen kamen, denn die Bäume und Büsche seines Guts hatte der General sogar in Borodino im Sinn, die Büsche und die Lusthäuschen, auch wenn viele der Ansicht waren, der General hätte sich besser darauf konzentrieren sollen, Napoleon und dessen Armee zu schlagen. Nun gut, die russische Armee wich dann zurück, und der General durfte sich ungestört seinem Gesträuch widmen.«
    Die Männer wiehern.
    »Ja, ja, das scheint ein wilder Bursche gewesen zu sein.«
    Herman nickt.
    »Ein wilder Kerl. Sittenlos und wild. Führte an Höfen und in Gärten ein ausschweifendes Leben. Mit Mutter und Tochter gleichzeitig. Aber was geht mich das an, fragt so mancher, und ich frage es mich in schwachen Stunden selbst. Was geht es mich an, was ein verdorbener Graf an verdorbenen Höfen treibt, in seinen obszönen sämischen Hosen, in denen ein gewisses Organ so lüstern anschwellen kann wie bei den Söhnen Assyriens. Es geht mich nichts an, denkt ihr. Aber was sagt uns die Heilige Schrift?«
    Herman legt eine kurze Kunstpause vor dem Donnerschlag ein.
    »Schneidet es ab, sagt der Herr!«
    Verwalter Sundberg hebt die Hand. Womöglich um anzuzeigen, dass es eigentlich die Hand war, die Christus abzuschneiden empfahl, falls sie uns verführt.
    »So tut es der gute Gärtner. Halleluja!«, ruft Herman aus und streckt beide Hände den Zuhörern entgegen.
    »Dem Herrn sei Dank, dass Sein Wort in dieser Frage keinen Raum für Gleichgültigkeit lässt. In der Tat geht es mich etwas an! Die Sünde geht uns alle an.«
    »Na, na, aber nicht vor den Ohren eines Kindes«, versucht der Verwalter zu beschwichtigen.
    Herman ist jedoch nicht mehr aufzuhalten, auch nicht zu korrigieren. Das verdorbene Leben des ehemaligen Gutsherrn hat ihn in fromme Ekstase versetzt.
    »Hört, Freunde! Gibt es einen Unterschied zwischen einem solch sündigen Grafen und einem Neger, der im finstersten Afrika lebt? Ja, sage ich, es gibt einen Unterschied. Ich habe gehört, dass die Neger ihr schwarzes Geschlecht auf allen vieren fortpflanzen wie die Hunde. Aber
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