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Eine eigene Frau

Eine eigene Frau

Titel: Eine eigene Frau
Autoren: L Lander
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abzufinden.
    Für Kinder sind Uneinigkeit und bedrückende Atmosphäre dennoch nicht sonderlich angenehm. Nicht einmal für solche Kinder, die an einem Sonntag geboren wurden und für die Gott die Heureuter besonders lange in der Luft rotieren lässt und den Pferden befiehlt, auf den Hinterbeinen zu bleiben, auch wenn die Deichsel noch so scheppert und die Zügel versagen.
    An diesem sommerlichen Julitag ist Saida jedoch glückselig, da sie eine Überraschung zum Namenstag ihres Vaters Herman hat. Ganz alleine trägt sie mit zwei Händen die große Kaffeekanne, schwer und heiß. Ein Nesselfalter fliegt dem Kind voran und lässt sich auf einer Löwenzahnblüte nieder. Der Wind weht ein sandiges Löwenzahnblatt auf, es fliegt dem Mädchen an den Hals und kann jetzt nicht weggewischt werden.
    Saida hat lernen dürfen, wie man dem Vater Kaffee einschenkt, als in der Kanne nur noch ein lauwarmer Rest übrig war. Aber heute, während der gesamten Vorbereitungen zum Hermanstag, hat in Saida der Wunsch gebrannt, ihrem Vater zu zeigen, was für ein großes, tüchtiges Mädchen sie geworden ist. Während die Mutter mit den Kuchen beschäftigt war, hat Saida auf eine passende Gelegenheit gelauert. Nicht die Mutter, die in einer banalen Schürze in der Küche hantiert, ist ihr Vorbild, sondern es sind die Bediensteten vom Herrenhaus Joensuu, die bei Tisch die Herrschaften bedienen dürfen.
    Wenn sie Oma und Opa besucht, darf Saida hin und wieder mit Arvi, dem Ziehsohn der Großeltern, in der Gutshausküche sitzen und den Verrichtungen der Oma und der Küchenmägde zusehen. Die Bedingung für den Zugang zur Küche besteht darin, dass die Kinder helfen, wenn man es ihnen befiehlt, sonst aber brav stillsitzen. In der Küche des Herrenhauses macht Saida alles immer ganz genau so, wie man es ihr aufträgt, und sorgt dafür – mal im Guten, mal mit einem Kneifen –, dass auch der kleine Arvi folgt.
    Der Höhepunkt aller Feiertage besteht für Saida und Arvi darin, mit den Fingern die Ränder der Eismaschine sauber zu wischen. Am Johannistag durften die Kinder zusehen, wie Susanna, das hübsche Dienstmädchen, schokoladenbraune, rosa und gelbe Plätzchen in kunstvollen Arrangements auf einem dreistöckigen, goldenen Serviergestell anordnete, um sie nach dem Erklingen der Glocke in die geheimen Räume des Hauses zu bringen. Vor allem auf Saida machte das großen Eindruck. Als Susanna den unverwandten Blick des Kindes bemerkte, sagte sie, ein so tüchtiges Mädchen wie Saida könne später durchaus einmal Dienstmädchen werden und auch so ein Serviergestell tragen. Von diesem Augenblick an war Saida von dieser Vorstellung wie besessen.
    Sogar Gräfin Nadine war bei ihrem Besuch in der Küche Saidas vorbildliches Verhalten aufgefallen, und sie wollte das Kind überraschenderweise in ganz besonderer Form belohnen. Tante Olga musste das hellblaue Kleid, das sie vor einem Jahr genäht hatte und das für Nora inzwischen zu klein geworden war, aus dem Kinderzimmer holen. Nora ist die Tochter des nach Schweden umgezogenen Konsuls Larsson, die Tochter des Cousins der Gräfin. Die Kinder des Konsuls verbringen fast alle Sommerferien im Herrenhaus Joensuu, und bisweilen kommen sie auch zu Weihnachten in das Land ihrer Geburt. Großmutter sagt, es habe den Anschein, als wären die Kinder des Konsuls das Ein und Alles für die kinderlose Gräfin, auch wenn diese die Kleinen für »etwas zu frei erzogen« hält. Darum sprangen der Gräfin auch Saidas Folgsamkeit und Fleiß ins Auge.
    Emma wäre aufgrund des unfassbaren Erfolgs ihrer Tochter vor Stolz natürlich fast geplatzt, aber Herman knurrte nur etwas von der Sünde des Hochmutes und dem ihm unweigerlich folgenden Fall. Auch sonst hielt er nicht viel davon, »im Gut herumzurennen«. Doch er konnte die Besuche nicht verbieten, ohne seine Frau zu zwingen, das Gebot der Bibel zu brechen, das verlangte, Vater und Mutter zu ehren. Wegen des Sprachproblems – die alten Malmbergs sprachen zwar Finnisch, doch ging es ihnen nur mühsam über die Lippen – musste Herman außerdem zulassen, dass Emma mit den Mädchen Schwedisch sprach. Sobald der Vater das Zimmer betrat, musste aber selbstverständlich ins Finnische gewechselt werden.
    Angespornt vom Lob der Gräfin und des Dienstmädchens fängt Saida an, Pläne zu schmieden, wie sie auch ihren mürrischen Vater beeindrucken könnte. Denn mehr als alles andere wünscht sie sich den Dank des Vaters. Er soll mit eigenen Augen sehen, wie vornehm und
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