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Eine Braut für alle

Eine Braut für alle

Titel: Eine Braut für alle
Autoren: Richard Gordon
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von ihm gehört, aber Schauspieler pflegen ja auch nie Bücher zu lesen. Und von unvorhergesehenen Notfällen abgesehen, wie etwa Zugzusammenstößen oder Razzys Liebesieben, hatte ich — gleich den Doctores Anton Tschechow und John Keats vor mir - die Heilkunde um der Literatur willen aufgegeben.
    Ein Literat sein hat bestimmt seine Vorteile, als da sind: sich nicht zu rasieren brauchen, bevor man sich morgens an die Arbeit macht, und bei literarischen Mittagsmählern am Spitzentisch zu sitzen, wo es Blumen und Freigetränke gibt. Aber die Sache hat auch ihre Haken. Erstens einmal: man ist gezwungen, weiter Mist zu schreiben. Dann muß man mit den allerneuesten zornigen jungen Männern Tuchfühlung nehmen, oder in Buchläden Exemplare seines Œuvres signieren, und durch das Redenschwingen beim Käsegang obiger Mittagsmähler neigt man mit der Zeit zu jener wohlbekannten klinischen Erscheinung der megalocrania acuta. Genau wie am Tag des erfolgreich abgelegten Schlußexamens, da man mit dem größten Stethoskop, das man auftreiben kann, im Spital herumstreift und jedermann herausfordert, einem «Doktor» zu sagen.
    Im Spital wird man zum Glück recht radikal von den Stationsschwestern kuriert, die junge Ärzte so rasch zum Einschrumpfen bringen wie ein Kind einen angestochenen Luftballon. Aber im literarischen Leben geht das Schicksal mit dem Job Hand in Hand. Es war ein recht aufgeblasener Grimsdyke, der da vom Erlös seines Produkts einen Trip nach New York machte, und dem das Schicksal nach seiner Rückkehr einen dicken Knüppel in den Weg legte. In London angekommen, fand ich den Verlag leer, die verdammten Kerle hatten bankrott gemacht, und das war besonders schlimm, weil ich die Stewardess zum Lunch eingeladen hatte und auf Erden nichts mehr mein eigen nannte als eines jener kleinen Cellophansäckchen mit Gerstenzucker gegen Luftkrankheit.
    Es war mir gelungen, soviel zusammenzukratzen, daß ich mir draußen im Chelsea ein Hausboot mieten und einen neuen Roman beginnen konnte; ich erwartete von ihm nicht gerade, daß er Tolstoj in den Schatten stellen, aber doch zur Erheiterung einiger grimmiger Herren beitragen würde, die an Sonntag Vormittagen das literarische Dschungel durch Schüsse aus dem Hinterhalt aufzulockern versuchen. Aber das Schicksal, dem nicht die Vorzüge einer englischen Erziehung eignen, kennt keinen Kodex, der es verbietet, einen Mann zu treten, der bereits auf dem Boden liegt. Ich war in meinem Roman nicht weitergekommen, als die Lettern meiner Schreibmaschine mittels einer Nadel zu reinigen, als ich mit einer recht ekligen Blinddarmentzündung in das St. Swithin eingeliefert werden mußte. Wie unter Ärzten üblich, kam es zu einer Reihe Fehldiagnosen, und hätte man nicht schließlich nach Sir Lancelot Spratt geschickt, wäre mir ein eher luftig-kühles Weihnachtsfest zuteil geworden - auf einem Wolkenzipfelchen kauernd und läppisch an einer Harfe zupfend.
    «Hoffentlich entpuppen Sie sich als guter Patient, Grimsdyke?» hatte Sir Lancelot gesagt, als er einige Tage nach der Operation auf der Station erschien, um das Werk seiner Hände zu begutachten. «Man sagt, daß Ärzte im allgemeinen die schlimmsten Patienten sind.»
    «Ich lerne alle möglichen Dinge über Spitäler, von denen ich bisher keine Ahnung hatte, Sir», erwiderte ich inmitten von Traubenbüscheln und Chrysanthemensträußen.
    Er nickte. «Sie haben die einzig mögliche Methode entdeckt. Es käme zum Beispiel der Rechtspflege mächtig zustatten, wenn noch mehr Gerichtsanwälte, als es jetzt der Fall ist, ein Weilchen im Kittchen säßen. Schwester», wandte er sich an das Mädchen, das mich eben wieder zudeckte, «ich habe mein Notizbuch in Ihrem Schreibzimmer liegen gelassen, glaube ich. Würden Sie die Freundlichkeit haben, es zu holen?»
    Der Chirurg stand einen Augenblick schweigend da und strich sich den Bart.
    «Da wir nun einige Sekunden für uns allein haben, junger Mann», sagte er dann, «möchte ich die Gelegenheit nützen, Sie um Ihre Hilfe in einer Angelegenheit zu bitten, die einiges Feingefühl erfordert.»
    «Meine Hilfe, Sir?»
    Ich glotzte ihn an. In jenen Tagen, da ich einer seiner Studenten war, hatte Sir Lancelot praktisch alles an ekligen Dingen, was im Operationssaal in Reichweite lag, nach mir geworfen. Nun kam mir das so ähnlich vor, wie wenn ein Wimbledon-Champion den Ballbuben auffordern würde, für ihn einzuspringen.
    «Ich möchte, daß Sie mein Neger werden.»
    «Ihr was bitte,
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